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Violette Nevaeh Preston

Leise summte ich vor mich hin und säuberte mit einem alten Stofffetzen meine Pistole. Ich saß auf einer hohen Mauer und ließ meine kurzen Beine hinunter baumeln. Meine Haare hatte ich zu einem lockeren, unordentlichen Dutt zusammengebunden, damit sie mir nicht beim Säubern nervig im Gesicht hingen.
"Bist du gleich fertig?", fragte Jake ungeduldig und wechselte fast sekündlich sein Standbein.
"Nein, ich will noch hier bleiben. Du kannst ruhig schon gehen, dann komme ich nachher nach", antwortete ich ihm und sah kurz auf. Der Park in dem wir waren war schön im Frühling. Alles gedeihte und ließ mich für einen Moment mein Leben vergessen, dass so gar nicht der Schönheit der Blumen glich. Manche Menschen warfen mir komische Blicke zu, während ich meine Pistole säuberte, doch insgesamt war der Besitz einer Waffe in New York nichts ungewöhnliches und deswegen sagte niemand etwas dazu.
"Noah sagt ich darf dich nicht alleine lassen", knurrte Jake genervt - "Man Violette, beeil dich verdammt nochmal. Ich muss pissen."
"Ich kann alleine auf mich aufpassen", meinte ich genervt. Ich liebte meinen Bruder Noah, doch er hielt mich einfach noch für das kleine, unschuldige Mädchen von früher. Mittlerweile war ich aber schon erwachsen geworden und war eine Meisterin im Umgang mit der Pistole. Ich konnte sogar besser schießen als Noah. Meine Schüsse waren immer sehr präzise.
"Violette, bitte", flehte Jake. Es war immer komisch, wenn er flehte. Er war ein 1,96m großer, muskelbepackter Riese mit extrem tiefer, bedrohlicher Stimme und eine geladene Waffe, sowie ein Messer, baumelte am Bund seiner Hose, doch zu mir war er immer zahm wie ein kleines Schäfchen.
"Geh einfach hinter den Baum da. Innerhalb von der Minute wird mir schon nichts passieren", antwortete ich, guckte dabei aber nicht einmal auf, sondern putze weiterhin meine Waffe. Ich wollte, dass sie schon glänzte. Vermutlich hatte ich zwar schon etwas von der schwarzen Waffenschmiere im Gesicht, doch das war mir egal. Ich war nicht hier, um hübsch auszusehen.
"Na gut", sagte Jake dann und verschwand hinter einem der Bäume.

Violette Nevaeh Preston

Ich steckte meine geputzte Waffe zurück in den extra dafür vorgesehenen Beutel an meinem Gürtel und sprang leichtfüßig von der Mauer herunter. Jetzt war Zeit für ein bisschen Spaß. Verstecken war schon immer mein Lieblingsspiel gewesen und das schon seit ich ganz klein war, deswegen lief ich schnell los und ließ den ahnungslosen, pinkelnden Jake alleine zurück. Vielleicht war es gemein von mir, aber ein bisschen Spaß musste auch mal sein. Ich rannte durch die dunklen Waffen New Yorks. Es war ein tolles Gefühl so nah an der möglichen Gefahr zu sein und dennoch nie wirklich in Gefahr zu sein. Es wimmelte zwar in diesen Gassen nur so von Verbrechern, doch ich war schlimmer und gefährlicher als die meisten von denen. Meine Hand war jedoch immer am Griff meiner Waffe, damit ich sie stets griffbereit hatte. Man wusste ja nie an einem Ort wie diesem.

Violette Nevaeh Preston

Ich sprang über ein paar verrostete Autoteile, die in der Gasse lagen und kickte ein paar davon zur Seite. Sie knallten gegen eine versiffte Gassenwand und fielen auseinander. Sie lagen da wie Puzzleteile, die keiner zusammensetzten wollten. Am Anfang war es noch lustig mit ihnen zu spielen, doch irgendwann warf man sie einfach weg. So war der Kreislauf des Lebens.
Ich begann zu rennen und wollte mich ein bisschen auspowern. Meine Augen waren wachsam auf meine Umgebung gerichtet. Ich hört schlecht. Sehr schlecht, um genau zu sein, deswegen waren meine Augen quasi meine zweiten Ohren. Zwar konnte ich hören, doch mein Hörvermögen reichte meistens nicht, um eine nahende Gefahr zu erkennen und das war nicht gerade gut bei einem Lebensstil wie meinem. Es konnte jeden Moment zu Ende sein, zumindest wenn man auf ein Mitglied der "Poison" traf. Bei so einem Aufeinandertreffen konnte meist nur einer Überleben.
Geschwind flitze ich um eine Ecke und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Vor mir stand muskulöser junger Mann, auf dessen Shirt sich ein Symbol befand - Das Symbol der Gang "Poison".

Violette Nevaeh Preston

Zuerst hatte ich nur den Körper des Mannes gemustert, erst als eine - mir bekannte - Stimme ertönte, sah ich in das markante Gesicht des jungen Mannes. Es war Alex, ein Mitglied der Gang "Poison". Er war jedoch nicht wie die anderen. Irgendwas war schon immer etwas zwischen uns. So eine komische Spannung, so ein Knistern, doch vermutlich konnte keiner von uns beiden es sich erklären.
"Laufen", antwortete ich. Meine Hand war immer noch am Griff meiner Waffe, doch auf meinen Lippen lag ein Lächeln. Alex Anwesenheit brachte mich fast immer zum Lächeln - "Ich wollte einfach ein bisschen den Kopf frei bekommen und nicht immer gebabysittet werden."
Ich strich mir mit der freien Hand ein paar dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht.
"Und wieso bist du nicht bei den anderen Leuten deiner Dreckssippe?", erkundigte ich mich. Meine Stimme klang spitz und meine Wortwahl war wirklich nicht höflich, doch ich verachtete seine Gang - nur ihn irgendwie nicht so wirklich.

Violette Nevaeh Preston

"Du weißt, dass ich keinen Babysitter brauche", sagte ich genervt. Es lag zwar noch ein winziges Lächeln auf meinen Lippen, doch trotzdem hob ich meine Waffe und richtete sie auf ihn - "Du weißt, dass ich gut bin im Umgang mit der Pistole. Würde ich wollen, könnte ich dich jederzeit erschießen. Ich kann mich um mich alleine kümmern."
Ich kam auf ihn zu, die Waffe auf ihn gerichtet. Natürlich hatte ich nicht vor ihn zu erschießen und das wusste er vermutlich auch, aber ein bisschen Spaß musste einfach sein. Langsam machte ich ein paar Schritte auf ihn zu. Mein Blick war fokussiert auf ihn gerichtet. Ich achtete darauf mich grazil zu bewegen, denn ich wollte, dass er mich bewunderte. Er sollte mich sexy finden, aber nicht auf eine nuttige Art und Weise, sondern auf eine elegante und doch gefährliche.
Als ich direkt vor ihm stand, hielt ich ihm mit einem überlegenden Lächeln die Waffe gegen die Schläfe und kam ihm ganz nah. Mein Körper war fast schon gegen seinen gepresst.
"Bum", ahmte ich grinsend das Geräusch nach, wenn man den Abzug der Waffe drückte.

Violette Nevaeh Preston

Mit einem zufriedenen Grinsen löste ich mich von ihm und ließ langsam die Waffe sinken. Mein Ziel hatte ich definitiv erreicht: Ich hatte ihm den Kopf verdreht. Sogar sehr.
Es machte Spaß ein bisschen mit ihm zu spielen. Die Gefahr war immer gegenwärtig, wenn wir uns trafen. Würde seine Gang herausfinden, dass er so mit einem Mitglied der "Vigorous" umging, hätten sie ihn vermutlich auf der Stelle verbannt, wenn nicht sogar getötet. Auch mein Bruder wäre sicherlich nicht gerade erfreut, wenn er wissen würde, dass Alex und ich ab und zu ein wenig flirteten. Wahrscheinlich würde er jedoch nicht sauer auf mich sein, sondern eher Alex das Genick brechen.
Lässig lehnte ich mit an eine gegenüberliegende Wand und grinste ihn ein wenig herablassend an.
"Und was treibt so ein 'Poison'-Abschaum, wie du, sich hier rum?", fragte ich ihn. Man konnte hören, dass ich es eher als Scherz meinte.

Violette Nevaeh Preston

"Du bist aber ganz schön eifersüchtig auf Jake", stellte ich mit einem höhnischen Grinsen fest. Zwischen Jake und mir lief zwar definitiv nichts, doch das konnte er ja nicht wissen und ich ärgerte ihn gerne. Er war heiß, wenn er wütend war.
"Ich liebe die Gefahr", rief ich zwitschernd aus. Etwas sehr laut. Ich grinste ihn herausfordernd.
Vielleicht verbrachte ich gerne so viel Zeit mit ihm, weil es etwas Verbotenes war und seit klein auf liebte ich es Verbote zu brechen. Ich liebte das Adrenalin, das durch meine Adern schoss, wenn ich etwas tat, was andere sich nicht trauen würden. Ich liebte die Gefahr und Alex war meine persönliche, gutaussehende Gefahr.
Plötzlich hörte ich ein lautes Geräusch und zuckte kurz zusammen. Ich guckte eilig umher und ging direkt in Verteidigungshaltung. Es fühlte sich gut an, wie mein Herz schneller zu schlagen begann. Ich fühlte mich so lebendig.
"Wer ist da?", fragte ich laut.
Drei muskulöse Männer und eine hochgewachsene Frau kamen um die Ecke. Auf ihren T-Shirts prangte über ihrer Brust das Symbol der Poison. Ich richtete sofort meine Waffe auf die vier Leute.