Tyr.

Auch gut. Ihm sollte es nur recht sein, wenn seine Teampartnerin nicht schreiend das Weite suchte, sobald sie ein paar schief stehende GRabsteine entdeckte, was hier oft vorkam, da dieser Friedhof schon viele hunderte Jahre am Buckel hatte. Ein paar Gräber hatten Aufschriften von Daten, die man gar nicht fassen konnte. Hier lagen nicht nur Kriegsgefallene aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, sondern auch noch Menschen, die viel früher gelebt hatten. Unter den Verstorbenen waren auch viele, viele Hexen und Hexer begraben worden. Was niemand wusste, der nicht in dem lokalen Zirkel MItglied war. Diese Ansammlung und magisch Begabten war anders als andere Zirkel, da sie hier schon so viele Jahrhunderte überdauerten, dass man davon ausgehen konnte, dass zuerst nur Hexen hier lebten und diesen Friedhof gegründet hatten, aber nach und nach Menschen kamen, um sich HIlfe bei ihnen zu suchen, zusammen zu arbeiten oder Schutz zu suchen. Doch mit der Zeit kam auch die Moderne immer schneller näher und der Glaube verlor sich gemeinsam mit dem Vertrauen zu der Magie, die in diesen Menschen schlummerte.
Es war wohl das Beste so.
"Dieser Friedhof ist alt. So alt, dass die Zahlen auf dem Eingangstor nicht mehr zu entschlüsseln sind, weil sie von der Witterung verwischt wurden. Auch dieses Denkmal entspricht diesem Zeitalter und war früher eine Pilgerstätte für Wandernde, die um Schutz für die weitere Reise gesucht haben." Auf den Punkt gebracht: früher kamen die Menschen hierher, um die Hexen um Hilfe zu bitten. Sie erhofften sich entweder Heilung oder hatten andere Anliegen, die ohne magischer Begabung nicht erfüllt werden konnte. Er war nicht ganz ehrlich, denn eigentlich gab es das Denkmal noch früher, aber nach und nach wurde ein Friedhof drum herum angelegt. Die Kirche wollte den Kontakt unterbinden, sodass es bald ein Verbot war, hier aufzukreuzen. Deshalb weihten sie das Denkmal auch um, legten einen Friedhof an und nun verbreitete sich eine falsche Geschichte über diese Gedenkstätte. Früher war es ein Akt gegen die Hexen, heutzutage bot ihnen diese 'neue' Vergangenheit Schutz.

Tyr.

Sein Blick hing weiterhin an dem Denkmal, mit dem er sich seit seiner Kindheit auf eine seltsame Art verbunden fühlte, sodass es fast den Anschein nahm, als würde er vergessen haben, dass neben ihm ein hübsches Mädchen stand und eine etwas andere Ansicht zu vertreten schien. Wie gerne würde er manchmal in die Köpfe anderer schauen können, aber gerade hing er den Erzählungen und Geschichten seines Zirkels nach, die ihnen schon von klein auf eingetrichtert worden waren. Es war sozusagen die Kultur des Zirkels, zu der dieses Denkmal zählte und hatte demnach auch einen unbeschreiblich hohen Wert für jede einzelne Hexe und jeden anwesenden Hexer, der das hier seine Heimat nannte. Fasziniert streckte der Schwarzhaarige einen Arm aus, um den groben Stein mit seiner Hand berühren zu können, das kalte, brüchige Gestein unter seinen Fingern spüren zu können. Es war, als würde sich dadurch die alte Bedeutung dieses Denkmals in voller Pracht in ihm ausbreiten. Zumindest fühlte er sich ein wenig in der Zeit zurück versetzt und konnte sich nur mit schweren Herzens wieder davon lösen.
Langsam glitt sein Blick von den undeutlichen Schriftzeichen zurück zu Alexis, die Skepsis zeigte... oder zumindest glaubte Tyr, dies in den Augen der Neuen zu erkennen. Nun ja. Man musste sich eben mit einem Ort verbunden fühlen, um ihn wirklich spüren zu können. Eine alte Weisheit, die in seinem Zirkel hohe Priorität besaß. Verbundenheit. Wie oft hatte er sich das schon anhören müssen, aber umso älter er geworden war, umso mehr verstand er die eigentliche Bedeutung. Aber das tat nun nichts zur Sache. Wahrscheinlich kam er ohnehin schon komisch genug rüber.
"Ja. Mit der Zeit musste der Friedhof immer mehr vergrößert werden, aber vornehin wurde der Platz zu wenig, sodass sie dahinter weitere Gräber angelegt haben. Aber uns werden vorher noch einige alte begegnen, bis wir zu den neueren kommen." Er konnte dieses Mal nicht mal fragen, wieso es sie interessierte, denn er hätte ebenfalls Neugier dem Ort gegenüber empfunden. Außerdem lag es in der Natur des Menschen, Dinge in Erfahrung bringen zu wollen.

Tyr.

Er bedachte das hübsche Mädchen mit einem fragenden Blick und wartete darauf, dass sie eine weitere Erklärung hinzufügte, denn ihm war nicht klar, was sie damit sagen wollte. "Inwiefern soll ich das denn falsch verstehen können?", erkundigte er sich und musste dabei seine Belustigung unterdrücken. Nachdem er meinte, sie genug angesehen zu haben, ließ er den Blick musternd um sich schweifen, aber er würde nicht direkt sagen, dass ein Friedhof in ein Mährchenbuch passte, wobei es dabei natürlich auf die Geschichte an sich kam. Wenn Alexis das so sah, würde er sich nicht einmischen wollen, aber für ihn hatte dieser Ort einen persönlichen Bezug, weshalb er den Friedhof wohl auch mit anderen Augen bewunderte. Für ihn waren das nicht nur Grabsteine, die zum Teil verwittert und schlecht umsorgt waren, sondern Gedenkstätten seiner Vorfahren. Hier lagen so viele Zirkelmitglieder, die dem Lauf der Zeit nicht gewachsen waren und schlussendlich verstorben waren. Jung und alt, groß und klein. Jede Hexe und jeder Hexer aus dem Zirkel wurde ausnahmslos hier begraben. Wenn es also keine Ausnahmen gab, dann war es schon richtig, dass man erwartete, auf diesem Friedhof das Grab seiner Eltern anzutreffen.
Doch seine Schritte verlangsamten sich nur vor einem Einzelgrab, auf dem in deutlich lesbaren Lettern Jeffroy Wolsen und darunter sein Geburtstag und Todestag prankten. Ein kalter Stich durchzuckte den jungen Mann, als er den Blick schnell wieder abwandte. Sich krampfhaft versuchte, nichts anmerken zu lassen, aber der Verlust war deutlich in die eisigen Augen geschrieben. Schnell versuchte er weiter zu kommen, hatte es auf einmal eilig und schreckte erst wieder auss einen Gedanken, als Alexis erneut etwas sagte. "Ich kann mich mal bei Freunden von mir erkundigen, die den Lehrer auch schon gehabt haben und vielleicht wissen die dann, worauf er wert legt. Dann arbeiten wir die verstärkt aus und können uns ein paar Umwege ersparen." Ihre Idee war gar nicht mal so schlecht.