Fiona

Hatte die Verwandlung bei mir erst einmal eingesetzt, war es nur sehr schwer sie zu stoppen. Mein Herz raste wie wild. Das Fell an meinen Händen und Armen wurde immer dichter und mein Rücken wölbte sich, während die Rippen ihre Form langsam änderten. Die Verwandlung war schon immer schmerzhaft gewesen, aber nachdem ich sie schon mehrere Wochen unterdrückt hatte, fühlte es sich irgendwie eingerostet an, was die Wandlung nicht wirklich beschleunigte.
Wieder spürte ich ein Stechen, dieses Mal an meinem Hals. Sie hatten mir irgendein Sedativum gegeben, dass mich beruhigen sollte. Doch in Wolfsgestalt war die Dosis nicht hoch genug. Es machte mich lediglich wütend. Einige Augenblicke später hatte ich mich komplett verwandelt. Meine Sinne überwältigten mich fast, die Geräusche erschienen mir viel zu laut und die Gerüche zu intensiv. Ich roch alles. Ich wusste genau, dass Spencer heute Nudeln mit Speck gegessen hatte. Der Geruch haftete ihm sozusagen noch an. Mit einem tiefen Grollen in der Kehle sprang ich ihn an und warf ihn zu Boden. Mit meinen Pfoten nagelte ich ihn an den Boden. In dem Moment, wo ich nach seinem Hals schnappen wollte, traf mich etwas hartes am Kopf. Jaulend sprang ich zur Seite. Etwas benommen suchte ich nach dem anderen Wärter. Der nutzte den Moment aus und schleifte mich regelrecht zusammen mit Spencer in meine Zelle, die er sofort abschloss. Mein Herz raste immer noch. Konnte ein Wolf einen Herzinfarkt erleiden? Joshuas Stimme lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihn. Mit noch immer angezogen Lefzen ging ich zu ihm und drückte meinen Kopf an die Gitterstäbe. Ich konnte mich nicht mehr zurück verwandeln, es war zu lange her und ich wusste nicht mehr wirklich wie.

Fiona

Joshuas Stimme beruhigte mich. Meine Gedanken, wenn ich ein Wolf war, waren instinktiver Natur. Deswegen verstand ich den Sinn hinter seinen Worten verzögert. Grollend bewegte ich mich wieder in die Mitte der Zelle. Ich versuchte mich selbst weiter zu beruhigen, indem ich mir vorstellte im Wald zu sein und die frische Luft zu spüren. Etwas langsamer atmend legte ich mich schließlich auf den Boden und rollte mich dort zusammen. Das dicke Fell hielt mich als Wolf wenigstens warm. Ich bettete meinen Kopf auf meine Vorderpfote. Spencer stand immer noch vor unseren Zellen und verkündete, dass Joshua heute wieder als Testobjekt herhalten musste. Der junge Wandler sah dabei alles andere aus als begeistert. Augenblicklich bekam ich ein schlechtes Gewissen, schließlich war es meine Schuld, dass ich Spencer aufgebracht hatte. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass er es an jemand anderem auslassen würde. Auch wenn Joshua mich darauf bereits hingewiesen hatte.

Fiona

Das Sedativum von vorhin ließ mich ein wenig schläfrig werden, so dass ich mich unbewusst wieder zurückverwandelte. Meine Knochen und meine Haut fühlten sich so an, als würde jemand an beiden Seiten daran ziehen. Die Krallen wurden immer kürzer und kürzer, genau wie mein Fell, dass immer mehr verschwand.
Nackt, wie ich immer nach der Verwandlung war, schnappte ich mir die dünne Wolldecke und schlang sie um meinen Körper. Die Kälte kehrte fast sofort wieder zurück. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, mich wieder zurück zu verwandeln, aber für heute reichte es mir. Umso länger ich ein Wolf blieb, umso schwieriger wurde es für mich, mich wieder zurück zu verwandeln. Außerdem war ich es gar nicht mehr gewohnt, ein Wolf zu sein.
Mit den Fingerspitzen tastete ich meinen Nacken ab. Ich spürte nur eine winzige Erhebung, dort wo sie mir den Chip gespritzt hatten. Konnte ich ihn gefahrlos mit einem Messer raus schneiden, wenn ich hier ausbrechen würde? Ausbrechen würde ich früher oder später. Wenn diese Wärter nicht glauben würden, dass diese Möglichkeit besteht, würden sie mir schließlich nichts spritzen, um mich später orten zu können.
"Tut mir leid, wegen vorhin", meinte ich, als ich mich im Schneidersitz auf den Boden setzte. "Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen."

Fiona

Ich lächelte etwas zerknirscht zurück. Irgendwie bekam ich sogar noch ein schlechteres Gewissen, schließlich versuchte er, dass ich mich nicht so schlecht fühlte, obwohl es jetzt auf seine Kosten ging.
"Was machst du eigentlich, wenn du nicht gerade in einer Zelle sitzt? Studierst du oder so?", fragte ich mit einem schiefen Lächeln. Ein bisschen auf andere Gedanken zu kommen, war vielleicht gar nicht so schlecht. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie es war hier unten für ein ganzes Jahr zu sein. Abgesehen von fehlenden Freunden, keinem Sonnenlicht und schlechten Schlafmöglichkeiten mussten die Experimente einer Folter ähneln. So stellte ich es mir jedenfalls vor. Dabei bemitleidete ich ihn nicht direkt, es machte mich einfach nur wieder unglaublich wütend. Wir waren schließlich keine Tiere, jedenfalls nicht ganz.

Fiona

Automechaniker. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er halbnackt an irgendwelchen Autos rumschraubte und einen auf "Magic Mike" machte. "Nicht viel, ich hab bei einem Coffee Shop gearbeitet und die meiste Zeit drinnen verbracht." Den Teil, wo ich vom College rausgeschmissen wurde und ein 6 Monate im Gefängnis verbracht hatte, erwähnte ich lieber nicht. Besonders stolz war ich nicht darauf. Beim Coffee Shop hatte ich nebenbei gearbeitet um mehr Zeit zu haben, über meine Zukunft nachzudenken. Meine Karriere als Juwelendiebin konnte ich jederzeit wieder aufnehmen, aber eigentlich hatte ich mehr Interesse an etwas Richtigem gehabt. Aber das hatte ich mir bereits gründlich versaut.
Seine zweite Frage, was sich so verändert hat, ließ mich kurz nachdenken. "Donald Trump ist Präsident geworden - trotz einiger Skandale - es gibt bald wieder einen neuen Transformer Film, viele Schauspieler sind gestorben, es herrscht immer noch Krieg im Mittleren Osten und die Kardashian regieren sozusagen Instagram, oder meintest du etwas spezielles?"

Fiona

Ich hatte mich meist drinnen aufgehalten, da ich von einigen Leuten immer noch gesucht worden war und ich eh nicht viel mit meiner Zeit habe anfangen können. Wenn, war ich abends unterwegs gewesen. Aber ich fühlte mich in Menschenmengen, die man in der Stadt nicht vermeiden konnte, unwohl. In eine Kleinstadt hatte ich trotzdem nicht ziehen wollen.
"Ich bin 20 geworden, und du?" Viel Interessantes gab es über mich nicht zu erzählen, außer meine Verbrecher Anekdoten, die ich hier jedoch nicht zum Besten geben wollte. Im Überfälle planen hatte ich ein eigenartiges Talent. Ich hatte mich zuvor immer gut informiert, war vorsichtig und gut organisiert. Vor allem hatte ich Spaß gehabt. Die Nervosität bei der Planung, den Adrenalinkick während dem Überfall und die Erleichterung danach, nicht erwischt worden zu sein. Es hatte eben einen gewissen Reiz gehabt. Natürlich spielte das Geld dabei auch eine Rolle. Ohne die Überfälle hätte ich mir auch niemals das College finanzieren können.
"Naja, außer einem neuen Park und ein paar protzigen Hochhäusern eigentlich nichts. Besonders viel hat sich nicht geändert." Ich zog die Decke etwas enger um meine Schultern, als ich fröstelte. "Sucht dich eigentlich jemand? Ich meine, wirst du vermisst von irgendjemandem?"
Der Gedanke, dass mich niemand suchen würde, war irgendwie traurig. Lieber sollten sich die Leute um einen sorgen, als einfach vergessen zu werden.

Fiona

Familie und Freunde. Naja, wenigsten suchte jemand, oder hatte gesucht. "Nein, vermutlich nicht", seufzte ich. Den Kontakt zu meinen Collegefreunden hatte ich abgebrochen. Viel Familie hatte ich nicht. Eine Tante, die den Urwald zu ihrem neuen Zuhause erklärt hatte und verzweifelt versuchte dessen Tiere und Bäume zu retten und ein Vater, der schon seit mehr als zehn Jahren im Knast seine Strafe absaß. Meine Mutter war eine Wissenschaftlerin, die ständig reiste und die ich nur alle paar Jahre zu Gesicht bekam. Ich war das Ergebnis ihrer Jugendsünde - meinem Vater - gewesen. Allem Anschein nach hatte sie was für "bad boys" übrig. Keinem von beiden würde mein Fehlen in den nächsten Monaten auffallen. Sie würden denken, dass ich eine andere Nummer hatte und mal wieder umgezogen war. Von wem ich meine Wandler-Gene hatte, wusste ich nicht. Aber ich tippte ja auf meinen Vater, der hatte jedenfalls das entsprechende Temperament.
Eigentlich würde ich Joshua noch gerne mehr ausquetschen über ihn und was er noch über die Leute hier so wusste. Aber er sah wirklich müde aus. "Du solltest etwas schlafen, wenn diese Leute wieder kommen, wecke ich dich."

Fiona

Ich beherzigte seine Empfehlung, auch zu schlafen und legte mich hin. Mein Kopf war nur so voller Gedanken und Sorgen, dass ich nur leicht eindöste und bei jedem kleinen Geräusch sofort aufwachte.
Ich spielte mehrmals mit dem Gedanken, mich wieder in einen Wolf zu verwandeln, aber ich war einfach zu müde und ich hatte zu viel Angst, mich wieder nicht zurückverwandeln zu können. Außerdem war es mir unangenehm, völlig entblößt zu sein, wenn ich mich wieder zurückverwandelte.
Nach wenigen Stunden, hörte ich wieder das bekannte Piepen, das Quietschen der Türen und die dumpfen Schritte. Als sechs Männer in weißen Kitteln in Sicht kamen, rappelte ich mich auf und weckte Joshua, indem ich ihn vorsichtig an den Schultern berührte.
"Na na na, wen haben wir denn da. Für die heutigen Tests brauchen wir unseren alten Freund Joshua und unseren Neuzugang Fiona."