Myra
Ich betrachtete die Aussicht, sog jedes Detail in mich auf, als könnte ich es nie wieder sehen. Gut, vermutlich würde das auch nicht geschehen... außer ich fertigte einen Zweitschlüssel an. Ich spielte tatsächlich eine Weile mit dem Gedanken, aber es würde zu sehr auffallen, wie alle schönen Träume, die ich hatte. Man konnte fast alles überblicken, es war überwältigend. Schon als er seine Arme von hinten um mich legte und begann, meinen Nacken zu küssen, war mir bewusst, worin das ausarten würde und ich war dazu gerade alles andere als in Stimmung. Ich hielt seine Hände fest, als die eine nach unten und die andere nach oben wanderte. Meine Vermutungen hatten sich bloß bestätigt und wenn ich genug von der Aussicht hatte, würden hier ein paar Dinge mit mir den Raum verlassen.
Ich ließ seine Hände los, machte einen Schritt nach vorne und drehte mich um. "Du hältst mich doch nicht ernsthaft für irgendeine Schlampe mit der du dich eine Nacht lang vergnügst und die du schon beim ersten Treffen flachlegen kannst?!", ich zog eine Augenbraue amüsiert hoch. Für Collin war es so etwas wie eine zweite Chance. Er hatte sein Schicksal in der Hand, obwohl es ihn wahrscheinlich überhaupt nicht kratzen würde, wenn ich ein paar seiner Sachen einsteckte. Ich hatte schon teuer aussehende Champagner und Weine gesehen. Die würden sich gut verkaufen lassen.

Myra
"Man wird schneller zu einer Schlampe als du denkst... Ich würde das nicht Date nennen. Außerdem bin ich bestimmt fünf Jahre jünger als du, denkst du nicht ich würde mir jemanden in meiner Altersklasse suchen, wenn ich an einer Beziehung interessiert wäre?", der bildete sich ja auch wer weiß was ein. Nur weil er mich nicht flachgelegt hatte, war ich in die Schiene gerutscht von Frauen, die auf Beziehung und Geld aus waren? Wenn ich Geld wollte, brauchte ich keine Beziehung und eigentlich genoss ich mein Single-Leben. Gut, ich hatte nie etwas anderes erlebt, aber ich mochte mein Leben eben so wie es war. Dieser ganze Beziehungskram, was sollte jemand wie ich damit anfangen? Und ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich hier in Collins Welt passen würde. "Als ich dich gesehen habe, war mir schon durchaus bewusst, dass du alles vögelst, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Und du hast nie einen Korb erhalten, weil alle Frauen dir zu Füßen liegen. Aber nur weil man Geld hat, kann man nicht alles haben", philosphierte ich. Ich achtete immernoch darauf, keine Geheimnisse auszuplaudern, denn das gehörte einfach mir und es war eine Charaktereigenschaft. Selbst wenn ich mich gerade ein wenig wegen dieser kleinen Sache aufgeregt hatte. Naja, in zwei Stunden würde ich hier bestimmt wieder weg sein. "Ich genieße gerne die Aussicht, aber von mir aus kannst du ruhig wieder in die Bar gehen, Dana freut sich bestimmt", sagte ich sarkastisch und lächelte, "und dein Ding da unten bestimmt auch", fügte ich mit einem Blick auf seine Hose hinzu. Ich hätte ihn fast schon als notgeil bezeichnet, so wie er sich direkt auf mich gestürzt hatte.

Myra
"Vielleicht ist es bei euch Männern einfach anders im Kopf verankert, was der Begriff überhaupt bedeutet, aber es ist das eine, wenn man halb nackt durch die Gegend läuft und alles klar macht, und dann ist es was anderes, wenn man seinen Spaß hat und sich wenigstens noch auf eine gewisse Auswahl beschränkt. Wieviele Frauen in diesem Club hätten alleine wegen deinem Namen mit dir geschlafen? Bei denen war auch nur noch das Nötigste an Haut bedeckt. Heute verliert man so schnell an Niveau", vielleicht hatte ich ja eine eingeschränkte Sichtweise auf das alles, aber ich konnte mir auf der Straße nicht alles leisten. Vielleicht hatte ich einfach nie richtig erlebt, wie das eigentlich war, reich zu sein, und diese komplett verschiedene Sicht auf die Dinge. Zumindest war er hier der einzige, der behauptet hatte, dass er selbst so etwas wie eine Schlampe war. Ich war nur der Meinung, dass er alles vögelte, was ihm in den Weg kam. Ich hielt aber sowieso nichs von diesen Rich Kids, die alles haben konnten, was sie sich im Moment wünschten. Für sie gab es keine Grenzen. "Nein, danke, kein Alkohol für mich", meinte ich nur lächelnd. "Ich wollte ja auch nicht, dass du es weißt", anscheinend hatte er noch nicht einmal annähernd verstanden, dass er nur das wusste, womit ich auch einverstanden war, im Gegensatz zu ihm. "Wie habe ich Alkohol in der Bar serviert bekommen?", er hatte nicht gemerkt, dass ich minderjährig war, die Barfrau hatte nicht mal nach meinem Ausweis gefragt.

Myra
"Viele Begriffe haben eine neue Bedeutung bekommen. Nationalismus war ursprünglich überhaupt kein negativ belegtes Wort, aber die Menschen verändern sich und mit ihnen die Sprache, daran kann man nichts ändern und man sollte sich nicht nur auf alte Bedeutungen beschränken. Heute ist das Wort Nationalismus negativ belegt, genauso wie Schlampe. Ich habe nie behauptet, dass ein reges Sexualleben mit dem Wort Schlampe automatisch verbunden wird, lediglich die Kleidung und ich meine, wer wäre früher mit einem Stoffetzen, der nur den halben Arsch bedeckt und einem Oberteil, das kleiner als ein Bikini ist rumgelaufen, wenn er sich nicht verkauft hätte. Gut, Mode verändert sich und jeder hat ein anderes Modebewusstsein, aber irgendwo sollte jeder eine Grenze erkennen", vielleicht war ich einfach zu jung und würde noch in so eine Phase kommen, aber ich konnte es nicht leiden, wenn Shorts nicht mal lang genug waren, um den Po zu bedecken. Crop Tops zog ich schon gerne mal an, ich meine, ein bisschen Bauch konnte man ruhig zeigen, aber zum Beispiel hatten nur wenige meiner Kleidungsstücke einen tiefen Ausschnitt. "Es ist auch etwas anderes, wenn diese Stofffetzen elegant wirken, aber die meisten laufen einfach nur nuttig herum und dass ihnen an Intelligenz mangelt, dafür können sie nichts, da die Intelligenz größtenteils vererbt wird", wenn er meinte, er musste schlau wirken, dann konnte ich gut mithalten, bestimmt nicht nur, weil ich einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten von 145 aufweisen konnte.

Myra
"Ein Intellgenzquotient hat mit Intelligenz zu tun, aber Wissen ist unabhängig von Intelligenz", erwiderte ich bloß. Und Intelligenz hatte nichts mit lernen zu tun. Ich selbst war mir nicht sicher, was ich von lernen überhaupt halten sollte. Klar, man sollte sich immer weiterbilden, aber wenn ich Dinge nur stupide auswendig lerne, dann war das für mich als würde ich mit einem dummen Menschen reden, der gerne superschlau wäre. Natürlich, der Wille, sein Wissen zu erweitern, war schon etwas tolles, ebenso wie Ehrgeiz es sein konnte, aber lernen war einfach für mich dieses Ich-setz-mch-hin-hau-das-in-mein-Hirn-rein-und-fühl-mich-dann-besser-Gefühl. Man musste eigentlich nichts können, weil jeder lernen konnte, wenn er es bloß wollte. Es machte einen Menschen nicht zu etwas Besonderem, nur weil er lernte. Da waren andere Dnge noch viel wichtiger. Klar, man sollte nicht sprechen wie jemand, der die Sprache nicht beherrschen konnte, wenn man sehr wohl wusste, wie man Worte anwenden konnte. Ich persönlich fand Worte ja total faszinierend, sie verliehen einem außerdem Macht und Kontrolle, man sollte immer vorsichtig mit ihnen umgehen. Ich starrte immernoch auf die urbane Landschaft, die sich mir bot. Das Gespräch war eher etwas wie ein netter Nebeneffekt. Meine Schuhe drückten auch schon ziemlich. Eigentlich war ich nicht unbedingt der Typ, der in High Heels rumlief, da waren mir Sneaker lieber, aber High Heels waren schon irgendwie toll... wenn man sie nicht allzu lange tragen musste.

Myra
"Das hat ja auch etwas mit Intelligenz zu tun und wenn du nicht intelligent bist, kannst du eher wenig damit anfangen", meinte ich bloß. Vermutlich würde es mir auch irgendwann langweilig, wenn ich jeden Tag diese Aussicht genießen könnte, naja, obwohl. Es war schon irgendwie besonders, man hatte das nicht alle Tage, aber genau weil es besonders war, sollte man vielleicht nicht sein ganzes Leben in einem Hotelzimmer verbringen. Als er zur Minibar ging, schlüpfte ich aus meinen Schuhen, das wurde mir dann einfach zu unbequem. Ich war kein Mädchen, dass gerne auf Mädchen machte, nur weil ein Junge anwesend war. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Boden. Hier konnte man quasi vom Fußboden essen, es war einfach total sauber, weil jeden Tag hier geputzt wurde und ich war siebzehn, da musste ich mich sicher nicht wie eine erwachsene Geschäftsfrau verhalten. "Ich trinke nur Wasser, hin und woeder etwas anderes", eigentlich achtete ich ziemlich auf gesunde Ernährung, weshalb man mich auch selten Alkohol trinken sah oder eines von diesen süßen Getränken, die nur aus Zucker bestanden. Nein, das war nichts für mich.

Myra
Ich nahm nur in der Spiegelung des Glases wahr, dass eine Flasche auf mich zugeflogen war und hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich vermutlich anders reagiert, weil es einfach eher unnormal war, aber stattdessen hob ich, ohne mich umzudrehen, lässig die Arme hoch, fing die Flasche auf und senkte meine Hände wieder. Erst danach war mir richtig bewusst, dass das keine selbstverständliche Bewegung war und dass das eben nicht jeder konnte, weshalb ich nur hoffen konnte, dass Collin nicht fragte, wo ich so etwas denn gelernt hatte, denn eigentlich wollte ich ihm das lieber nicht beantworten. "Ich habe weder Instagram noch Tumblr und Wasser ist Wasser, außerdem: so toll sieht die Flasche jetzt auch nicht aus", antwortete ich achselzuckend. Ich wäre schön blöd, Bilder zu posten, auf denen man mich erkennen konnte oder wo ich micb aufhielt, wenn ich ein paar Anzeigen am Hals hatte. Mit Gesichtserkennung lief ja heute auch alles ruckzuck durch. Ich musterte kurz die Erdbeeren. Fehlte ja nur noch Schokolade. Erdbeeren waren ja irgendwie mit der Zeit auch mit Erotik verbunden worden und ich war mir nicht sicher, was ich gerade davon halten sollte, weshalb ich das Angebot dankend ablehnte.

Myra
Ich antwortete darauf lieber nicht, also ließ ich seine Frage offen im Raum stehen. Ich hätte einfach bejahen können, aber es wäre gelogen gewesen und Collin hätte vermutlich wissen wollen, welche Art von Sportart es war, wie sie hieß, wie lange ich sie ausübte und spätestens dann hätte ich keine Antwort mehr gehabt und hätte irgendwie improvisieren oder ausweichen müssen. So konnte er wenigstens kreativ werden und sich selbst etwas ausdenken. Da kam mir seine zweite Frage eigentlich direkt ziemlich gelegen, um das erste Thema zu überspringen und mich gleich auf das Zweite einzulassen. Gut, meine Antwort konnte jetzt auch nicht spektakulär ablenkend sein, aber ich konnte mit etwas Glück der einen Frage ausweichen. "Nein, eigentlich nicht", zum einen interessierten mich keine sozialen Netzwerke, zum anderen brauchte ich sie nicht um zu überleben oder zur Kommunikation. Dann kam natürlich hinzu, dass es zu gefährlich für mich war und würde ich meinen echten Namen angeben, würde ich wieder in die Öffentlichkeit rutschen, weil es plötzlich ein Profil gab von einem verschollen geglaubten Mädchen und spätestens dann würden meine Strafttaten aufgedeckt und es war mit meinem ruhigen Leben ein für alle mal vorbei.