Myra

Ich betrachtete seine geschickten Hände, mit denen er Danas Arm verband. Als er fertig war, entsorgte ich das mit Blut vollgesogene Taschentuch und wusch meine blutverschmierten Hände ab. Danach sah ich wieder aus wie das unschuldige Mädchen, aber das brachte mir jetzt auch nichts mehr, Collin wusste Bescheid und ich fand diese Vorstellung alles andere als prickelnd. Wenigstens hatte er sich bedankt, aber es würde früher oder später zu einer Fragestunde kommen und ich musste wohl oder übel alle beantworten. Solange er den Mund hielt, würde ich jede Frage beantworten. Ich konnte nur über seine Sorge lachen. "Diese Halterung reißt nicht ein, vertrau mir. Ich würde sicherlich nicht mit Waffen herumlaufen, wenn sie mich verletzen könnten", erwiderte ich. Die Halterungen waren Sonderanfertigungen aus einem stabilen, leichten Material, das schwer zu zerstören war. Ich ging kein Risiko ein, was das anging. Wenn man mit Waffen durch die Stadt rannte, hatte man auch eine Verantwortung, also hatte ich dafür gesorgt, dass nichts passieren konnte. Weder mir noch anderen, außer es war von mir geplant.

Myra

"Die Halterung ist aus Kohlefaser, nichts, was man so einfach nähen kann", erwiderte ich amüsiert. Leder oder Stoff wären absolut ungeeignet, um seine Halterung daraus zu bauen. Der Bogen, der bei mir zuhause lag, war ebenfalls aus Kohlefaser. Robust, aber leicht. Es war das perfekte Material, um diese Dinge daraus herzustellen. Ich erwiderte sein Lächeln, obwobl ich sein Angebot wohl nie annehmen könnte. Wenn tatsächlich mal etwas kaputt gehen sollte, musste es ersetzt werden und zwar komplett. Aber da das vermutlich nie passieren würde, konnte ich da Geld sparen. Außerdem hielt das Material bei guter Behandlung auch lange, bis jetzt musste ich sie nie ersetzen. "Ich bin keine Profikillerin und keine Agentin. Ja, ich bin wirklich minderjährig und nein, ich sage dir nicht, wo ich das gelernt habe, aber FBI und CIA sind ein Dreck dagegen. Was für Fragen noch?", meinte ich und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Anrichte, weil ich immernoch in der Suite stand.

Myra
Er stellte ziemlich viele Fragen und zum Teil vielleicht auch etwas merkwürdige. Über die erste hatte ich nie nachgedacht. Als ich gelernt hatte, wie man kämpft, ging es nicht um die Frage, warum ich mich verteidigen musste. Naja, vielleicht doch ein wenig und jetzt war es einfach nur eine praktische Fähigkeit. "Angefangen hat es nicht damit, dass ich mich verteidigen wollte. Anfangs bestanden die Gründe aus Rachegedanken, das dürfte mit zehn gewesen sein", das sollte als Antwort ausreichen, wenn ich zu genau wurde, bestand die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn in Gefahr brachte und dann hätte ich ihm gerade umsonst sein verdammtes Leben gerettet. "Ich heiße Sky. Allerdings ist das nur eine kürzere Version meines dritten Namens", ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es war klar gewesen, dass er das wissen wollte, aber ich würde ihm sicherlich nicht so weit vertrauen, ihm meine anderen Namen zu nennen. Ich überlegte, bevor ich die nächste Frage beantwortete. Ich konnte ihn entweder anlügen oder eben nicht und da ich eine eher miserable Lügnerin war, blieb mir nur Möglichkeit zwei. "Beides", allerdings bedeutete das noch lange nicht, dass ich ihm alle meine Gedanken mitteilte.

Myra

Ich würde ihm sicher nicht die tragische Geschichte meiner Vergangenheit erzählen, das passte auch gar nicht zu mir. "Jemand hat meine Mutter vor meinen Augen erschossen. 7 Kugeln, sie ist verblutet", stellte ich nüchtern fest und drehte mich von ihm weg, während ich wieder über New York sah. Eine wirklich schöne Stadt, vor allem bei Nacht mit den ganzen Lichtern. "Er konnte ihr nicht einmal ins Herz oder in den Kopf schießen", zischte ich hinzufügend. Es machte mich selbst heute noch wütend. Und meine Rachegedanken sah ich damit als erklärt, auch wenn ich den Mörder nicht umgebracht hatte, aber das ging Collin nichts an. Besser er hatte Angst vor mir und hielt sich deswegen fern von mir. "Soweit vertraue ich dir nicht. Und Sky ist doch ein hübscher Name, denkst du nicht? Oder hätte ich mich als Catwoman vorstellen sollen?", die Tatsache, dass ich meine Mutter angesprochen hatte, ließ mich verändert auftreten. In Sekunden war ich kühl, distanziert und unnahbar geworden. Das konnte ich wohl auch gut. Naja, wie gesagt, Collin sollte sich lieber vor mir fürchten, zu seinem eigenen Wohl. Interesse konnte schnell gefährlich werden. "Ich bringe Leute nicht um. Nicht einmal für Geld. Gut, das erste war gelogen, aber ich suche mir kein Opfer aus. Ich handle im Affekt und auch nur, wenn es nötig ist. Was bis jetzt eigentlich nur einmal vorkam. Collin, was denkst du denn? Ich habe ganz bestimmt keinen normalen Job und zur Schule gehe ich auch nicht. Man überlebt auf der Straße nur, wenn man denen etwas nimmt, die sowieso mehr als ausreichend besitzen", ich war vollkommen ernst, meine humorvolle Seite war verschwunden.

Myra

Sein Mitleid konnte er sich sparen! Die Leute kamen immer an und meinten, wie leid es ihnen doch tat, und meistens war es überhaupt nicht so. Sie heuchelten Interesse und wollten sich bei einem einschleimen. Sie verstanden nicht im Geringsten, wie es war, so etwas zu erleben. Wenn die Menschen immer die Wahrheit sagen würden, dann würde kaum noch einer sagen, dass es ihm leid tat. Allerdings erwiderte ich einfach überhaupt nichts. Wenn Collin das besser fühlen ließ und es ihn glücklich machte, konnte er doch sagen, was er wollte. Ich hatte nicht vor, ihn umzubringen und wenn er dachte, dass dieser Satz ihn gerade vor seinem Tod rettete, dann sollte er das doch denken. Es war mir egal. Wenn ich es vorgehabt hätte, dann würde ich es auch machen, trotz seines gespielten Mitleids. Aber auch das behielt ich für mich und starrte stattdessen lieber weiter auf die Stadt. "Ich bin kein Robin Hood. Ich handele egoistisch", erwiderte ich. Robin Hood hätte seine Sachen anderen armen Leuten gegeben, aber so war ich nicht. Ich behielt alles für mich, man nahm, was man kriegen konnte und ich wollte überleben und nachts nicht unter einer Brücke schlafen.