Miles.

Das war eine offensichtliche Drohung, unverkennbar. Eine Drohung, die Miles zwar sofort dazu veranlasste so gut wie jeden Muskel in seinem Körper anzuspannen, aber dennoch ruhig - und vor allem an der Türe - stehen zu bleiben. Wobei er den Kerl schon jetzt nicht ausstehen konnte, so viel stand fest.
Seine angehängten, fast schon heuchlerischen Worte entlockten ihm schließlich ein verächtliches Schnauben, gefolgt von ein paar Worten: "Wer's glaubt", nicht viel - aber vermutlich ausreichend um kund zu tun, wie unsympathisch sich der Kerl bei ihm gerade doch gemacht hatte.
Allerdings wurde es erst richtig absurd, als er das Codewort erfuhr, das ihn die Augenbrauen in die Höhe ziehen und die Stirn runzeln ließ. Schokopraline. Wollte der Kerl sie veräppeln? "Und ob", erwiderte er schließlich auf das Ende des Satzes des Grauhaarigen, stieß sich nun doch von der Tür ab, um auf den Schreibtisch hinter dem der mann saß zuzulaufen.
"Schokopraline, Ihr ernst?" Na schön, das war keine der Fragen die ihm ernsthaft auf der Seele lasteten. Aber ehrlich gesagt hatte er auch nicht das Bedürfnis danach diese auszusprechen, als ihm erneut klar wurde, wie wenig er den Mann kannte und wie wenig er ihm daher auch vertraute. Vielleicht sollten sie einfach gehen. Wobei... "Und Kleidung? Wir wurden eben schon angestarrt wie die Attraktion schlechthin - ich schätze es ist in unser Beider Interesse, wenn wir nicht mehr auffallen wie ein bunter Hund."

Miles.

Na schön, also nochmal auffällig durch die Gegend laufen. Dabei war es doch nur in seinem Interesse, dass die Beiden nicht bemerkt wurden, ehe sie überhaupt beginnen konnten, oder nicht? Nun gut, vielleicht reagierte er auch etwas über, hatte einfach nur provozieren wollen, weil ihm der Kerl ein absolutes Dorn im Auge war.
Auf Grund dessen war es vielleicht auch die beste Handlung von Alexis ihn bei Seite zu schieben und aus dem Raum zu stürmen in Richtung Eingang - oder Ausgang. So hatte Miles im Grunde keine andere Wahl als ihr zu folgen, was er auch tat. Wenn auch eher widerwillig. Aber so dämlich es auch klang, er verspürte eben auch eine gewisse Verantwortung der jungen Frau gegenüber. Er würde es sich nicht verzeihen, wenn ihr etwas geschah. Das hatte nichts damit zu tun, ob sie nun ein Paar waren oder nicht, Freunde waren oder nicht. Sie war einer von seinen Leuten. Sicher verspürte Miles nicht vielen gegenüber Loyalität, aber sowohl Alexis, als auch beispielsweise die nervenaufreibende Ronnie konnten immer darauf zählen, dass Miles ohne zu zögern für sie einstehen würde, völlig egal was geschah.
Alexis holte er erst am Ausgang ein, verbot sich einen Kommentar bezüglich der Riegel die sie sich in die Jackentasche schob und verließ mit ihr das sterile, moderne Gebäude, um sich ins Vergnügen zu stürzen. Nicht.

Miles.

Jetzt übernahm Alexis wieder das reden. Miles folgte ihr, kam sich dabei aber vor wie ein treudoofer Köter, der ihr am Arsch klebte. Aber was wollte man tun? Blieb ihm im Grunde genommen ja nicht unbedingt etwas anderes übrig.
Sie mussten also in Richtung Stadtzentrum laufen, wo sie eine parkähnliche Anlage vorfinden würden. Und dort wohnte unter anderem der Senator mit seinen Kindern. Es war widerlich zu wissen, dass sich Menschen hier Angestellte in Übermaßen leisten konnten, während andere verhungerten, vor die schützenden Mauern mussten, um sich schrecklichen Gefahren auszusetzen, nur damit sie ihrer Familie etwas bieten konnten. Und es war noch viel grausamer, dass diese Menschen hier darüber entschieden wer leben durfte und wer sterben musste. Das machte ihn wütend. So wütend, dass er nicht einmal die Blicke der Menschen um sie herum wahr nahm, während er Alexis stetig durch die Stadt folgte, stur gen Boden sah und erst wieder aufblickte, als Kies unter seinen Füßen knirschte.
"Ich würd' den ganzen Scheiß hier am liebsten mitsamt seinen Bewohnern abfackeln", stellte der Dunkelhaarige mit einem Unterton fest, der auf gar nichts anderes schließen ließ, als die Tatsache, dass er das vollkommen ernst meinte.

Miles.

Na, dann hoffte er aber, dass er an vorderster Front dabei war. Das würde er sich nämlich nicht entgehen lassen wollen. Aber gut, alles mit der Zeit, in dieser Sache musste er eben gezwungenermaßen Geduld zeigen, auch wenn das keineswegs eine seiner Stärken darstellte. Im Gegenteil.
Langsam setzte auch er sich wieder in Bewegung auf zwei prollige Kerle zu, mit denen nicht zu scherzen aufgelegt war, wie es aussah. Deswegen hielt er wieder mal seinen Mund und ließ der Brünetten den Vortritt, was sich auch als besser herausstellte, denn von einem der beiden erntete Miles schon jetzt einen mehr als finsteren Blick, bevor er sich fast ebenso finster an Alexis wandte. "ID-Card?", hakte er trocken und ohne jegliche Emotion in seiner Stimme nach.
Miles hatte das dringende Bedürfnis ihn nachzuahmen, keine gute Idee vermutlich. Deswegen unterdrückte er dieses und konzentrierte sich stattdessen darauf seine Karte aus der Hosentasche zu kramen und dem anderen der beiden entgegen zu halten. Dieser scannte den Code darauf mit einem kleinen Gerät ein, bevor er nickte, sich Alexis Karte nahm, den Vorgang wiederholte und dann bei Seite trat: "Erdgeschoss, den Flur zur linken Seite, das dritte Zimmer. Dort werdet ihr eingewiesen", teilte auch er ihnen kurz und knapp mit.
Miles stopfte seine Karte zum gefühlt zehnten Mal an diesem Tag in seine Hosentasche, trat wortlos an den bulligen Kerlen vorbei auf die große Eingangstür zu, drückte diese wenig später auf und trat in eine riesige, modern eingerichtete Eingangshalle, von dessen Decke ein wahrhaft riesiger Kronleuchter baumelte.

Miles.

Langsam, während sein Blick umher glitt, folgte er Alexis in den linken Flur bis zur dritten Tür, vor der er stehen blieb, wartete bis das 'Herein' erklang und kurz nach Alexis den Raum betrat, in dem Fräulen Rottenmeyer - den Namen hatte sie gleich wett, wobei Miles nie gerne Heidi geguckt hatte, seine kleine Schwester aber, deswegen kannte er den Film, aber vor allen Dingen das Buch in und auswendig - schon wartete und gleich los legte. Er konnte sie schon jetzt nicht ausstehen.
Betont langsam zog er die Karte aus seiner Hosentasche, um sie ihr zu reichen, sie anschließend wieder einzustecken, während er ihre Worte auf sich wirken ließ. Viele Informationen auf einmal.
Gehalt. Für diesen Job konnte es nicht genug Gehalt geben, aber dessen war er sich schon bewusst gewesen, bevor sie hier aufgekreuzt waren. Sicherlich gab es schöneres, aber letzten Endes diente das alles hier so oder so einem anderen Zweck, sie mussten da durch. Jetzt hatten sie angefangen und jetzt gab es kein Zurück mehr. Wobei weder Miles, noch Alexis zu den Menschen zählten, die einfach so einen Rückzieher machten. Nicht Grundlos.
Er hatte Mühe sich einen spöttischen Kommentar zu verkneifen, als die Frau geendet hatte, nickte stattdessen nur verhalten, bevor er die Tür hinter sich wieder aufzog. Alles Weitere später hatte sie gesagt. Dann wollte er doch mal sehen wie sein Zimmer so aussah - und vor allen Dingen ob es nahe bei Alexis lag oder nicht. Musste es, oder nicht?
"Der Gästebereich ist auf der rechten Seite des ersten Stockwerks. Mädchenzimmer links, Jungenzimmer rechts. Nächtliche Besuche nicht gestattet."
Miles trat auf den Gang, während er ganz offensichtlich die Augen verdrehte, mit dem Rücken allerdings glücklicherweise schon zu Fräulein Rottenmeyer stand. Die hatte sicherlich weder Kinder, noch einen Mann.
Nachdem auch Alexis das Zimmer verlassen und Miles die Tür wieder zugezogen hatte gab er ein frustriertes Seufzen von sich: "Dabei hab' ich mich schon so sehr darauf gefreut dir heute Nacht einen Besuch abzustatten. Wie kann sie nur?", quengelte der junge Mann vor sich hin, während er langsam neben Alexis her den Flur zurück zum Eingangsbereich lief, wo eine große Treppe ins erste Stockwerk führte, die sie erklommen.
Wieso begegneten sie denn keiner Menschenseele?

Miles.

Er war sich unsicher darüber, ob er Alexis Worte ernst nehmen sollte oder ob es nur eine Alberei war. Sicher, sie war noch sauer auf ihn, das hatte er ihr heute Morgen angemerkt, aber letztlich würde diese Wut doch sicherlich irgendwann verschwinden, nicht? Er musste nur ein wenig Geduld zeigen, auch wenn das nicht zu seinen Stärken zählte. Miles war eher Derjenige, der seine Grenzen wieder und wieder austestete, auf Risiko ging und sah was dann geschah. Dadurch verbaute er sich zwar sicherlich auch einiges, aber damit musste er dann letzten Endes auch leben. Konnte er, wie man sah, er stand nämlich noch immer hier und lag nicht unter der Erde.
Im Gästebereich angekommen bleib er unschlüssig stehen, Alexis war die erste, die es wagte eine der Türen zu öffnen, Miles blickte noch einen Augenblick den Flur entlang, entschied sich dann aber für das Gegenüberliegende Zimmer der jungen Frau. Mit aus dem Grund, dass es auch am Anfang des Flures lag und so die Fluchtmöglichkeit im Falle des Falles am nächsten war.
Langsam drückte er die Türklinke hinunter, stieß die Tür auf und blickte in ein recht kleines Zimmer, das aber alles enthielt was man zum Leben brauchte - und vermutlich war es trotz der Schlicht- und Einfachheit noch immer moderner und weniger altmodisch wie die Wohnung die er mit Ronnie besiedelte.
Unwillkürlich kam in Miles die Frage auf was sie gerade tat und wie es ihr ging, dabei war er noch gar nicht lange weg und sie ihm noch dazu am Mittag gehörig auf die Nerven gegangen. Dennoch hoffte er, dass alles in Ordnung war. Mit einer imaginären Handbewegung vertrieb er die Gedanken nun wieder, trat in das Zimmer, auf dessen rechten Seite ein Bett stand, das weiß bezogen war. Darauf lag ein Stapel Klamotten, sicher der, von dem Fräulein Rottenmeyer gesprochen hatte. Die Arbeitskleidung. Fürs erste ließ er diesen allerdings außer Acht, ließ seinen Blick zu dem Schrank gleiten, der aus dem selben Holz wie das Bett gemacht schien - ob darin weitere Kleidung zu finden war? Außerdem befand sich im Zimmer noch ein Schreibtisch und ein Stuhl, ebenfalls aus dem selben Holz, in der Mitte auf dem Boden ein Teppich und ein relativ großes Fenster, an das er heran trat und von dem aus er auf die Parkanlage blicken konnte, durch die sie zuvor gelaufen waren. Sogar Dick und Doof konnte er von hier aus sehen.

Miles.

Ohne es darauf angelegt zu haben fiel die Tür hinter ihm ins Schloss, was Miles ungewollt etwas zusammenzucken ließ, bevor sein Blick einen Moment auf der weißen Tür mit dem silbernen Griff ruhte, er sich anschließend aber wieder dem Zimmer zu wandte. Als erstes zog er den Schrank auf, in dem sich tatsächlich noch ein paar Wechselkleidung - ebenfalls in schwarz-weiß - befand. Das war es dann allerdings auch schon wieder. Langsam, leise schloss er den Schrank wieder und wandte sich dem Nachttisch neben dem Bett zu, dessen Schublade er aufzog, um festzustellen das diese leer war. Auch die zwei darunter beinhalteten Nichts. Ein wenig enttäusch, auch wenn er nicht gewusst hatte, was er erwartet hätte, erhob er sich wieder aus der Hocke und öffnete die schmale Tür, die in ein kleines Badezimmer führte. Ausgestattet mit einer schmalen Duschkabine, einer Toilette und einem Waschbecken. Darüber ein kleiner Schrank mit drei Spiegeltüren. Alles was man zum leben brauchte. Auf dem Waschbecken stand sogar ein Glas, in dem eine Zahnbürste - eingepackt in Plastik - thronte, daneben eine kleine Tube Zahnpasta und ein Eckchen Seife.
Auch diesen Raum ließ Miles schnell wieder hinter sich, um sich wenig später die Kleidung vom Bett zu fischen, sie auseinander zu falten und zu begutachten. Eine schwarze Stoffhose, ein weißes - allerdings recht legeres - Hemd. Damit konnte er wohl leben, auch wenn es nicht seinem üblichen Kleidungsstil entsprach. Zumindest musste er weder Fliege, noch Krawatte tragen, das hätte ihm nämlich niemand antun können. Spätestens dann hätte es einen Aufstand gegeben.
Kurzerhand befreite der junge Mann sich aus seinen Schuhen, anschließend seiner Hose, seiner Jacke und seinem Shirt, das alles achtlos auf dem Boden landete, bevor er lediglich in Boxershorts und Socken nach der frischen, schwarzen Hose griff die er sich überzog, anschließend das Hemd, das er bis zu den obersten drei Knöpfen zuknöpfte und es sogar ordentlich in den Hosenbund stopfte. Er musste aussehen wie ein Clown. Zumindest fühlte er sich so. Besaß er überhaupt Hemden? Erinnern konnte er sich daran auf jeden Fall nicht. Alexis würde sich schlapp lachen, wenn sie ihn so sah, zumal die braunen, leicht gelockten, kurzen Haare absolut nicht zum Rest passten, so wild wie diese in alle Himmelsrichtungen anstanden. Aber er versuchte es gar nicht sie unter Kontrolle zu bringen, alleine schon der Tatsache wegen, dass er zumindest ein Teil seiner Selbst beibehalten wollte und wenn es nur die zerzausten Haare waren.
Schließlich schlüpfte er noch in seine eigenen Schuhe, da die Schuhe die ihnen bereitgestellt worden waren nicht passten. Sie waren zu klein und drückten - das würde er sich nicht antun. Außerdem war es ihm ganz recht, bequemere Schuhe wie die, die er trug gab es sowieso nicht.
Entschlossen trat er schließlich wieder zurück auf den Flur, zog die Türe hinter sich zu und erblickte Alexis, die selbst noch nicht allzu lange aus ihrem Zimmer heraus zu sein schien und mindestens genauso albern aussah wie Miles selbst - was ihn in gewisser maßen beruhigte. "Schick siehst du aus", zog er sie auf, verzog die Lippen zu einem leichten Grinsen, bevor er auf sie zu trat. Was jetzt?