Alexis

"Na toll", seufzte sie resigniert und ließ sich auf das Bett fallen. Wenn sie es einfach so gelassen hätten, wie es zuvor gewesen war, wären die nächsten Tage auf jeden Fall entspannter gewesen. So konnte sich Alexis schon auf eine Menge Stress und Ärger einstellen. Außerdem hatte sich Miles den letzten Schokoriegel mitgenommen, ihren Lieblingsschokoriegel. Wie eh und je hatten sie sich gezankt und in die Haare gekriegt, fast schon so wie früher. Eigentlich genauso wie früher.
Frustriert und immer noch wütend kuschelte sie sich in ihre Decke und legte sich hin um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Nach der Aufregung war an Schlaf jedoch nicht zu denken, weshalb sie wieder aufstand und ruhelos durch ihr Zimmer streifte. Schließlich öffnete sie das Fenster um ein wenig frische Luft hereinzulassen und lehnte sich aus dem Fenster. Erst jetzt fiel er auf, dass sich direkt unter dem Fenster ein Stück vom Dach befand. Von hier aus konnte man wahrscheinlich bis herunter klettern. Alexis beschloss, dass am nächsten Tag auf jeden Fall auszuprobieren, ehe sie sich wieder ins Bett legte.

Alexis

Das Zetern von Elouise war bis in ihr Zimmer zu hören. Mit einem schweren Seufzer richtete sie sich in ihrem Bett auf und rieb sich verschlafen die Augen.
Als die Türe plötzlich aufflog und Ellouise, deren Haare mittlerweile zerzaust waren, in ihrem Zimmer stand, stand Alexis ergeben auf und trottete wortlos ins Badezimmer.
"Du hast exakt 9 Minuten!", meinte sie drohend, ehe sie wieder verschwand.
Gute Laune sah anders aus. Sie duschte eiskalt, um wach zu werden, und zog sich danach die frische "Sklaven-Kleidung" an. Ihre Haare bändigte sie mit einem Haargummi. Einen Blick in den Spiegel wagte sie nicht. Sie wusste sowieso schon was sie erwarten würde: dunkle Augenringe und bleiche Haut. Diesen Anblick konnte sie sich also sparen.
Als sie schließlich vor ihrem Zimmer stand, überlegte sie, ob sie auf Miles warten sollte. Alexis beschloss, dass er ihre Warterei nicht verdient hatte und ging alleine zu Ellouise, die sie schon ungeduldig erwartete.

Alexis

- 2 Wochen später -

Der Zickenkrieg zwischen Alexis und Miles hatte sich mittlerweile immer noch nicht gelegt. Innerhalb von zwei Wochen hatten sie es geschafft, sich mit den Geschwistern ein wenig anzufreunden und sich außerdem eine ID Karte angeeignet, die sie von einem hohen Tier auf einer weiteren Party hatten. Ellouise war der Hausdrachen wie eh und je und scheuchte sie die von Arbeit zu Arbeit. Eine Verschnaufpause war rar.
Seit mehreren Tagen warteten sie bereits auf einen geeigneten Zeitpunkt, wo sie sich in das Büro des Senators schleichen konnten. Ellouise war beim Einkaufen, der Senator bei einer Ratsbesprechung und die Geschwister in der Schule, so weit sie das wussten. Das Haus hatten sie also für mindestens eine halbe Stunde für sich allein.

Alexis hatte die ID Karte, die sie zuvor gut in ihrem Zimmer versteckt hatte, geholt und war zusammen mit Miles zu dem besagten Büro gegangen. Ihr Herz klopfte mindestens doppelt so schnell und laut wie sonst, als sie die ID Karte benutzte um den Raum zu öffnen. Sie hatten keine Ahnung was sie darin erwartete. Der Senator, wenn er übervorsichtig war, konnte versteckte Kameras im Raum aufgestellt haben um Leute wie sie zu entlarven. Wenn man sie erwischen würde, würden sie zum Tode verurteilt werden. Oder noch schlimmer: sie mussten die schützende Stadt verlassen und sich den Kannibalen stellen. Bei lebendigem Leibe gefressen zu werden war eindeutig schlimmer als eine schmerzfreie Giftspritze.

Derek

In den letzten zwei Wochen waren die beiden Angestellten seine einzige Abwechslung gewesen, ganz schön traurig wenn er darüber nachdachte. Neuerdings beschäftigte er sich auch mit Chemie, seiner spontanen neuen Leidenschaft. Er hatte sich sämtliche Bücher darüber ausgeliehen oder gekauft und studierte diese in seiner freien Zeit. Als Streber oder dergleichen konnte man ihn eigentlich nicht bezeichnen, Derek eignete sich nur gerne neues Wissen und bildete sich weiter. Viel zu tun hatte er schließlich nicht.
Außerdem war er davon überzeugt, dass er seinen Vater dazu bringen konnte, ihm ein kleines Labor einzurichten. Nur all zu gerne würde er selbst ein wenig rumexperementieren.
Auf Livs Frage, ob er an den See mitkam, zuckte er nur mit den Schultern. Gegen eine Abkühlung hatte er nichts und seiner Schwester konnte er schlecht etwas ausschlagen. Er würde wirklich alles für sie tun, sie war auch seine einzige richtige Bezugsperson.
Neugierig blieb er stehen, als seine Schwester nach seinem Arm griff und ihn anhielt. Stirnrunzelnd betrachtete er Cameron, der vor dem Büro seines Vaters stand. Was machte er da?
"Sieht so aus als würde er Schmiere stehen", meinte Derek überflüssigerweise und warf Liv einen überraschten Blick zu.

Derek

Zweifelnd sah er ihn an. Hatte er kurz gezögert? Er war sich - wie Olivia - ebenfalls unsicher. "Ich bin mir sicher, dass du hier nichts zu suchen hast. Wenn du mit deinen Aufgaben fertig bist, dann freu und entspann dich meinetwegen", erklärte er ihm ruhig. Misstrauisch sah er sich kurz um. "Wo ist eigentlich die andere? Crystal? Ist sie auch schon mit den Aufgaben fertig?"
Spöttisch lächelte er und musterte Cameron. Hatten sie ihn bei etwas ertappt? Ihr Vater war für die nächsten beiden Stunden auf jeden Fall noch weg, hier zu warten lohnte sich also nicht wirklich.
Gespannt wartete Derek auf seine Erklärung. Das hier war ja wohl mehr als suspekt. Die brünette Begleitung von Cameron war jedenfalls nicht zu sehen. Wenn er genau darüber nachdachte, hatte er im ganzen Haus kein Lebenszeichen von ihr gehört. Das sie das Grundstück verlassen hat, war unmöglich. Das Sicherheitspersonal hätte ihnen sofort davon berichtet.

Alexis

Jede Schublade, die nicht verschlossen war, hatte sie bereits gründlich durchsucht. Sogar sämtliche Gemälde hatte sie abgehängt um zu sehen, ob vielleicht ein Tresor oder ähnliches dahinter waren. Nachdem sie alles wieder ordentlich aufgehängt hatte, machte sie sich mithilfe von Dietrichen an der verschlossenen Schublade zu schaffen. Vor Nervosität fielen ihr zweimal die kleinen Werkzeuge herunter, bevor sie schließlich das Schloss geknackt hatte. Als sie sie öffnete, lag nichts als ein zwei fette Geldbündel darin.
Die Versuchung, sich das Geld zu schnappen, war groß. Nach einigen Sekunden hadern siegte die Vernunft und sie schloss die Schublade wieder. Wenn sie das Geld genommen hätte, hätte der Senator sofort bemerkt, dass etwas fehlte und Miles und sie wären als "die Neuen" natürlich am eheste beschuldigt worden.
Als sie Schritte hörte, versteckte sie sich sofort hinter dem Schreibtisch und versuchte die Stimmen zu erkennen. Das mussten die Geschwister sein. Verdammt!
Fluchend sah sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Durch das eine Fenster könnte sie vielleicht auf das Dach kommen. Aber dann würde sie die Fenster von innen nicht mehr verschließen können. Besser als auf frischer Tat erwischt zu werden! Schnell lief Alexis zu dem Fenster, öffnete es und kletterte aufs Dach.
Obwohl sie keine Höhenangst hatte, wallte Panik in ihr auf, als sie einen Blick nach unten warf. Ein falscher Schritt und sie würde viele Meter in die Tiefe stürzen. Langsam und vor allem vorsichtig arbeitete sie sich Schritt für Schritt auf der schmalen Kante vor.

Derek

Cameron warf er einen missbilligenden Blick zu, ehe er sich zu seiner Schwester gesellte und sich im Büro ihres Vaters umsah. Wenn ihn nicht alles täuschte, dann hängten die Gemälde etwas schief an den Wänden. Genau wie Liv bereits gesagt hatte, war es offensichtlich, dass jemand aus dem Fenster geflüchtet war.
Man musste kein Genie sein, um eins und eins zusammen zu zählen. Aber warum sollten jemand hier drinnen herumschnüffeln? Oder noch besser: wie überhaupt? Eine ID Karte zu fälschen war äußerst schwierig und da sie im Haus bereits das neue Sicherheitssystem hatten, auch nahezu unmöglich. Außer jemandem wurde die Karte entwendet.
"Ich glaube, wir sollten mal bei Malias Zimmer vorbeischauen. Es würde mich interessieren, was sie gerade so macht", wandte er sich schließlich an seine Schwester mit einem verschwörerischen Blick.

Alexis

Als sie schließlich das Dach fast ein ganzes Mal umrundet hatte, suchte sie immer noch nach einer Möglichkeit, wie sie sicher ein Stockwerk nach unten kam und wo sich ihr Zimmer befand. Eine schon etwas rostige Regenrinne bot sich ihr förmlich an. Sie war schon seit Jahren nicht mehr richtig geklettert und was das anging, auch nicht gerade geschickt. Nachdem sie sich überwunden hatte, klammerte sie sich an die Regenrinne und rutschte daran langsam ein Stockwerk tiefer.
Halt fand sie auf dem schmalen Fenstersims kaum, an dem sie sich nun wieder Schritt für Schritt vorwärts kämpfte. Das offene Fenster, das zum Flur führte, war wie ein Geschenk.
Erleichtert schwang sie sich hinein und ging mit Pudding-Beinen in die Richtung, wo ihr Zimmer sich befand. Die Geschwister hatten ihr Fehlen sicher schon bemerkt, genau wie die geöffneten Fenster des Büros vom Senator. Bestimmt würden sie als aller erstes in ihrem Zimmer nachsehen, woanders hatte sich Alexis auch gar nicht aufzuhalten. Genau dorthin ging sie im Laufschritt und legte sich angekommen sofort ins Bett und machte es sich mit einem Buch, das sie sich ausgeliehen hatte, gemütlich.

Derek

Skeptisch hob er seine Augenbrauen. "Vielleicht sollten wir sie das selbst fragen", wandte er ein. "Außerdem würde ich sie gern mal im Bikini sehen, Liv kann ihr auch sicherlich einen leihen", fügte er spöttisch hinzu und beobachtete Cameron misstrauisch.
Das sich Cameron und Crystal die letzten zwei Wochen aus dem Weg gegangen waren, war Liv und ihm natürlich nicht entgangen. Jedoch konnten sie nur spekulieren, was zwischen den beiden eigentlich lief. Im Grunde war es ihm auch völlig egal, solange es ihm und seiner Familie nicht schadete.
Man konnte nicht sagen, dass er die beiden ins Herz geschlossen hatte, aber im Moment war er eigentlich der Meinung, dass sie gar nicht so übel waren wie gedacht. Vor allem Miles fand er hin und wieder recht amüsant. Es war eben erfrischend Leute aus einer ganz anderen Lebensschicht um sich zu haben. Bei ihnen drehte sich eben nicht alles um dieses und jenes Kleid oder Kostüm, oder was und wie viel sie mal erben würden. Besagte Gesprächsthemen langweilten Derek mittlerweile zu Tode.