Olivia.

Auf solche Ideen konnte nur Derek kommen. Olivia war noch nie der Mensch zu so etwas gewesen, dazu war die in ihr schlummernde, perfektionistische Ader dann doch zu ausgeprägt. Derek hingegen hatte es faustdick hinter den Ohren und in gewisser Maßen genoss die Brünette das wahnsinnig. Niemals würde sie auch nur einen Gedanken daran verschwenden ihren Bruder zu verpfeifen. Im Gegenteil, die Geschwister würden wohl ohne zu zögern für den jeweils anderen einstehen.
Die versteckte Flasche entlockte ihr also ein leises Kichern, bevor sie auch schon von ihrem Vater in Empfang genommen wurden, der sich zwar ein paar tadelnde Worte nicht verkneifen konnte, sie aber dennoch in eine liebevolle Umarmung zog und nicht umher kam sowohl von seinem Sohn, als auch seiner Tochter zu schwärmen. Wobei Olivia fast noch ein wenig Wuchs. Der Vergleich mit ihrer Mutter tat gut, war wie Balsam für die Seele, weil sie genau wusste wie wahnsinnig wichtig sie doch für ihren Vater gewesen war. Und auch wenn sie schon einige Jahre nicht mehr unter ihnen Weilte, so war es wohl wirklich das größtmögliche Kompliment, dass der Mann seiner Tochter machen konnte.
Kurz darauf scheuchte er sie aber auch schon vor sich her in Richtung der großen Eingangstür, um die ersten Gäste zu begrüßen. Das Ganze zog sich auch wahnsinnig in die Länge, sodass Livia wirklich froh war, sich mit dem letzten Gast von ihrer Position zur linken ihres Vaters lösen zu können, um sich erst einmal etwas zu trinken zu holen.

Miles.

Die leichte Röte die der jungen Frau in die Wangen stieg entlockten ihm ein amüsiertes Lächeln, das seine Mundwinkel nur für einen Blick in die Höhe zucken ließ, es ihm aber ebenso verbot sich einen weitere Kommentar bezüglich ihres Aussehens zu erlauben. Diese Reaktion konnte doch nicht bedeuten, dass sie ihn noch immer verabscheute, noch immer hasste für das was er getan hatte, oder etwa doch?
Als Alexis die Fliege zurecht gezupft hatte die er sich umständlich und trotzdem schief umgebunden hatte begaben die Beiden sich nach unten in den Empfangsbereich, wo Elouise sie auch schon zur Seite zog und sowohl Miles als auch Alexis ein Tablett mit etlichen, gefüllten Gläsern darauf in die Hand drückte, um sie dann mit einer Handbewegung Richtung Masse zu scheuchen, die der einer angewiderten, alten Frau glich die sich ein Tier vom Hals halten wollte, das sie nicht gerne mochte.
Miles ließ sich gar nicht darauf ein, schenkte Alexis noch einen flüchtigen Blick, bevor er sich in Bewegung setzte, dabei fast das Tablett mit samt den darauf gestapelten Gläsern fallen ließ, das ihm kurzerhand wieder regelrecht aus der Hand gerissen wurde: "Das geht doch nicht! Wen hat man mir hier nur vor die Nase gesetzt!" beschwerte Elouise sich leise schimpfend, bevor sie in Richtung Buffet deutete: "Dann übernimm du das Essen. Und seh zu, dass du nichts kaputt machst mit deinen ungeschickten Händen."
Ungeschickt. Miles war nicht ungeschickt, aber er verkniff es sich etwas darauf zu erwidern, sondern tat wie ihm geheißen, gab nur noch ein leises Grummeln von sich.

Miles.

Lange alleine blieb er am Buffet nicht, mehr und mehr Leute kamen vorbei, die ihn entweder keines Blickes würdigten, oder ihn ansonsten abfällig musterten, als wäre er... ja, als wäre er Nichts. Miles machte seiner Wut darüber Platz, indem er ihnen zumindest Gedanklich Beleidigung um Beleidigung an den Kopf warf, ihnen dabei aber sein strahlendstes Lächeln schenkte. Das fand allerdings sein Ende, als Derek auftauchte, der ihm ein spöttisches Grinsen zukommen ließ, bevor er eine Flasche mit kristallklarem Alkohol aus seiner Tasche zog und den gesamten Inhalt in die rote und die orangene Bowle schüttete. Miles selbst war über dieses Verhalten so verblüfft, dass sein Blick einen Augenblick auf besagter Bowle ruhte, dann zu Derek glitt, dessen Blick ihm innerhalb von dem Bruchteil einer Sekunde verriet, dass er seines Lebens nicht mehr froh werden würde, wenn er auf die Idee kam irgendwem hier im Haus zu verklickern, dass der ach so tolle, vorbildliche Schnösel-Sohn die Bowle ein wenig aufgepeppt hatte. Und dann erwischte sich Miles auch noch dabei, wie seine Mundwinkel nur einen Augenblick in die Höhe zuckten, gefiel ihm was er da sah, auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte. Vielleicht war Derek doch nicht so übel wie Miles vermutet hatte. Die nächsten Gläser mit Bowle füllte er extra voll, bis die Gäste langsam - fürs erste war wohl jeder versorgt - abklangen und schließlich Alexis bei ihm auftauchte, der er auf ihre Frage nur ein Schulterzucken schenkte: "Nichts, aber auch gar nichts. Das einzig Interessante war Derek, der der Meinung war die Bowle etwas aufpeppen zu müssen... - ansonsten scheint es hier tatsächlich nur um irgendwas... irgendwas völlig unwichtiges zu gehen" das war einerseits deprimierend, andererseits einfach nur einschläfernd. "Und du?"

Olivia.

Ganz zu ihrem Nachteil hatte sich nur wenige Augenblicke nachdem sie sich von Crystals Tablett ein Glas geangelt hatte ein altbekanntes und sehr ungeliebtes Gesicht an ihre Seite gesellt. Der Sohn eines guten Bekannten ihres Vaters. Mitte Zwanzig, groß, gut aussehend und das mit Abstand größte heuchlerische Arschloch dem Liv jemals über den Weg gelaufen war. Diese Tatsache machte alles positive an ihm mit einem einzigen Wimpernschlag zu Nichte.
"Olivia, schön dich wieder zu sehen", gesellte er sich also zu der Brünetten, die sich ein Augen verdrehen im letzten Moment noch verkneifen konnte. "Ja, welch ein Zufall, hier in meinem Haus." Der Sarkasmus in ihrer Stimme war kaum zu überhören, Daniel allerdings ignorierte ihn geschickt. Oder aber er fasste ihn als etwas vollkommen anderes auf. Interesse vielleicht, denn es brachte ihn nicht dazu das Weite zu suchen. Stattdessen lag er ihr eine geschlagene halbe Stunde in den Ohren und schwafelte sie von Zukunftsplänen seines Vaters für ihn voll, die sie kein Deut interessierten, weil er sie kein Deut interessierte. Er wollte ihr, das war offensichtlich, imponieren. Vermutlich sah er das zwar nicht so - er tat ihr in seinen Augen mit seiner Anwesenheit sicherlich einen Gefallen, aber das sah selbst ein Blinder mit Krückstock.

Miles.

Ob das eine gute Idee war? Miles zuckte ein wenig mit den Schultern. Vielleicht sollten sie erst noch ein wenig Geduld zeigen, sie waren seit einem Tag hier, ihr Vater hatte von mehreren Wochen gesprochen - und das wenn es gut lief. War es das Risiko also wert? Der junge Mann schüttelte schließlich den Kopf: "Dein Vater hat von mehreren Wochen gesprochen - und das wenn es gut läuft. Also würde ich vermutlich erst mal noch abwarten, bevor wir so ein Risiko eingehen."
Miles hatte noch nie ein Problem damit gehabt anderen offen und ehrlich seine Gedanken mitzuteilen, selbst wenn es Ärger bedeutete. Wobei das in dem Fall ja nicht die Sache war. Allerdings würde sie das definitiv nicht alleine tun - er würde es sich nicht verzeihen wenn ihr etwas geschah, nur weil er sie alleine los schickte. Oder selbst dann, wenn sie beschloss auf eigen Faust zu ermitteln. Irgendwie fühlte er sich für sie verantwortlich. Aber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte er schon immer besessen und die Trennung war immerhin auch nicht von ihm ausgegangen.
Als eine ältere Dame auftauchte die Nachschub haben wollte, wandte Miles sich von Alexis ab, schenkte etwas von der roten Bowle nach und schob anschließend die Hände in die Taschen der schwarzen Stoffhose. "Vielleicht kannst du ja Olivia auf deine Seite ziehen.." er zuckte ein wenig mit den Schultern. Derek konnte er nicht leiden, da änderte auch die leere Wodkaflasche im Mülleimer unter dem Tisch nichts an der Sache. Außerdem würde er es nicht unbedingt begrüßen, wenn sie ständig um den jungen Mann herumschlawänzelte. Er hatte zwar fremdgeknutscht, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er es einfach tatenlos hinnehmen würde wenn Alexis sich anderen Kerlen annahm. Egal aus welchem Grund.

Miles.

War ja klar gewesen, nicht? Miles konnte es sich nicht verkneifen die Augen zu verdrehen, bevor er sich eines der noch unbenutzten Gläser vom Tisch fischte und etwas von der orangenen Bowle hinein füllte, es Alexis über den Tisch zuschob und sich selbst ebenfalls ein Glas bis etwa zur Hälfte füllte: "Heute tun' wir auf jeden Fall nichts mehr - abgemacht? Zumindest nichts, was uns auffliegen lassen könnte."
Damit war das Thema Derek für ihn abgehakt. Er müsste wohl damit klar kommen, wenn sie sich statt Olivia für Derek entschied. Diente schließlich der Sache, nicht wahr? Da konnte er sich jegliche Besitzansprüche - die er sowieso nie hatte, immerhin war sie kein Gegenstand - wohl sowieso knicken. Ganz davon abgesehen waren sie gar kein Paar mehr. Also so oder so keine Ansprüche vorhanden, auch wenn es anders wäre wenn es nach Miles gehen würde. War schließlich nur ein dämlicher Kuss gewesen. Ein einfacher, unbedeutender Kuss und das auch noch unter Alkoholeinfluss. Alexis sollte sich verdammt nochmal nicht so haben.
Miles prüfte kurz ihre nähere Umgebung mit seinem Blick, bevor er das Glas an seine Lippen führte, einen Schluck nahm um dann festzustellen, dass er definitiv schon schlechtere alkoholische Getränke getrunken hatte.

Miles.

Er hatte ja schließlich auch nur gute Ideen - gut, das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber sein Ego war groß genug um sich das in Gedanken einzureden. Erfolgreich versteht sich. Miles lehnte sich gegen die Wand hinter dem Buffet, ließ langsam seinen Blick schweifen...

Gut drei Stunden hatten sich die meisten Anwesenden wohl tief genug unter den Tisch gesoffen, sodass Elouise die Angestellten unter ihren Fittichen dazu anwies aufzuräumen. Das Ganze zog sich noch bis tief in die Nacht hinein, ehe sie allesamt entlassen wurden. Eingeschlossen Alexis und Miles, der sich in einem unachtsamen Moment den Rest der roten Bowle in die leere Wodkaflasche gefüllt hatte. Irgendwie hatte er das Ding dann sogar ohne aufzufliegen in sein Zimmer schmuggeln können, um sich dann allerdings erst einmal einer Dusche zu unterziehen und anschließend dazu zu entschließen Alexis noch besuchen zu gehen. Sie würden sowieso viel zu wenig Schlaf bekommen, dann konnten sie die Nacht auch noch anständig nutzen.
Gesagt, getan. Nachdem er seine gewohnten, bequemen Klamotten - bestehend aus Boxershorts und Shirt aus früheren, hemdlosen Zeiten. Würde Alexis schon nicht stören, sie hatte ihn immerhin auch schon freizügiger zu Gesicht bekommen.
Und zu seinem Glück waren die Zimmer hier ja auch nicht verschließbar, weswegen er beschloss durch ein leises Klopfen nicht noch jemand anderen auf sich aufmerksam zu machen, sodass er einfach die Türklinke zu dem gegenüberliegenden Zimmer seines Zimmers - mit Flasche bewaffnet - herunter zu drücken, um in das dunkle Zimmer zu treten.

Miles.

Bademantel - originell. Wobei es einige Sekunden dauerte, bis Alexis Miles erkannte - was aber kein Wunder war, immerhin war es stockfinster. Nur der Mondschein von draußen erhellte das Zimmer ein klein wenig. Mit einem leisen Seufzen ließ er sich neben die junge Frau auf das Bett fallen und stellte die Falsche zwischen ihnen Beiden auf dem Bett ab.
"Ich hab uns was mitgebracht - wieso sollen auch nur die anderen einen schönen, beschwipsten Abend haben, hm?" Noch während er sprach entdeckte er die Schokoriegel, die die junge Frau vor sich auf dem Bett ausgebreitet hatte. Ohne zu zögern oder weiter darüber nachzudenken griff Miles nach einem der kleinen Süßigkeiten und drehte sie zwischen den Fingern hin und her "Und ich sehe für ein Festmal wurde auch schon gesorgt. - Wir sind immer noch ein Eingespieltes Team, meinst du nicht auch?" Zwinkernd packte er den Riegen aus, um ihn sich wenig später zwischen die Zähne zu schieben.

Miles.

Natürlich, er hatte ja auch immer recht. Deswegen nahm er nur mit einem Grinsen die Flasche entgegen, bevor er sich einen Teil des Inhalts von dieser in den Mund kippte. Doch, von dem Zeug konnte man durchaus mehr bekommen. Leider war genau das ja das Gefährliche daran. Dieser fruchtige Geschmack übertönte noch immer ziemlich gut den Geschmack des Alkohols der deutlich höher als gewollt war - gedankt sei Derek.
Glücklicherweise brauchte es bei Miles so einiges, bis er tatsächlich betrunken war. Er hatte damit nicht nur Erfahrung, sondern war auch noch ein Kerl und hatte keine so zierliche Figur wie Alexis.
Ihre Worte ließen ihn lächeln. Also hasste sie ihn doch nicht mehr. Sie redete gerade immerhin von Vertrauen, oder nicht? Doch, ganz offensichtlich. Musste man das nicht auskosten? Die Nacht ist noch jung... ermahnte er sich selbst in Gedanken, bevor er auf den Rücken sank, die Flasche - die er noch am Flaschenhals hielt - auf seinem Bauch abstellte. "Es hätte dich immerhin auch schlimmer treffen können, meinst du nicht?"