Lucie

War ja mal wieder typisch für ihn, dass er nicht wirklich viel mitbekommen hatte. Aber er sollte sich wohl wirklich ein wenig mehr anstrengen. "Das solltest du wohl mal tun.. Du weißt, dass ich dir helfe wenn du Hilfe brauchst, aber wie Kerle nun einmal sind müssen sie lieber erst einmal richtig auf die Nase fallen bevor sie das richtig verstehen.." erwiderte ich und schaute leicht lächelnd zu ihm auf. Es tat gut über etwas anderes zu reden und ich war auch froh, dass der junge Mann es so hinnahm und zumindest vorerst mal nicht weiter nachbohrte, was da gerade im Café passiert war. "Doch, jetzt will ich sie wissen. Was ist mit ihr?" hakte ich neugierig nach und zuckte zusammen, als er mir in die Seite knuffte. "Naja, viel war ja am ersten Tag noch nicht los. Mein Stundenplan ist ein wenig doof, aber was will man schon machen.."
Es dauerte nicht allzu lange, bis wir in eine kleinere Straße einbogen und bald auch schon mein Zuhause in Sicht kam. Jax wohnte nur eine Straße weiter, er hatte es also auch nicht mehr weit bis nach Hause. "Wollen wir noch zu mir? Oder zu dir? Oder hast du noch irgendwas anderes vor?" fragte ich den jungen Mann. Ja.. das mit den Gerüchten.. es würde wohl sicher nicht mehr lange dauern- jetzt wo die Schule wieder angefangen hatte- bis da wieder einige Gerüchte über uns auftauchen würden.

Lucie

Allein schon sein wirklich dreckiges Grinsen ließ mich vermuten, dass seine neue Deutschlehrerin nicht nur einfach eine 'gute' Lehrerin war, so wie er sie beschrieb. Oh man. "Du bist echt unmöglich, Jax.. Und ein Weiberheld noch dazu.." erwiderte ich und verdrehte die Augen ein wenig lachend.
Wobei ich es dann fast ein wenig schade fand, dass der junge Mann nach Hause gehen wollte. Hoffentlich hatte ich ihn jetzt nicht mit meinem seltsamen Verhalten im Café vertrieben. Konnte ich mir dann aber doch auch irgendwie nicht so vorstellen, aber man konnte ja nie wissen. Ich verabschiedete mich also ebenfalls von ihm, ging dann ins Haus rein und begrüßte meine Eltern, die noch ein paar Tage Urlaub hatten, bis sie wieder anfangen mussten zu arbeiten. Ich unterhielt mich kurz mit ihnen, ehe ich mich in mein Zimmer begab, noch ein bisschen was für die Schule machte und dann auch recht bald schlafen ging. Es fühlte sich beinahe schon so an, als hätte dieser olle Dschinn mich regelrecht ausgelaugt. Garantiert war es aber nur die Aufregung wegen des Geists gewesen, weshalb ich nun so müde war.
Am nächsten Morgen machte ich mich für die Schule fertig, frühstückte und ging dann rüber zu Jax- der in dieser Hinsicht echt ewig brauchte. Wir kamen gerade noch rechtzeitig in unseren Klassen an, da heute aber ein neuer Kurs war und ich so spät dran war, blieb mir nur noch der Platz neben einem Kerl, neben den ich mich mit einem freundlichen 'Hallo' setzte.

Lucie

Was auch immer den Kerl neben mir geritten hatte- er war die Unfreundlichkeit in Person. Zumindest kam es mir so vor. Bei mir fremden Personen war ich meist zwar sowieso ein wenig vorsichtiger und ruhiger- ich war jetzt nicht so die Person, die auf alle zuging und sie lachend umarmte, wenn ich sie kaum oder nicht kannte- aber es war jetzt auch nicht so, als würde ich dann nur stillschweigend neben einem sitzen und gar nichts sagen. Im Grunde genommen war ich also das genaue Gegenteil zu Jax, was wohl viele in die Verwunderung trieb und auch mich fast selbst ein wenig am Anfang gewundert hatte, dass wir zu so guten Freunden geworden waren. Naja, jedenfalls hatte ich meinen neuen Sitznachbarn mit einem freundlichen Hallo begrüßt, woraufhin der mich nur fast schon.. hochnäsig und ziemlich ignorant angesehen hatte, keinen Ton von sich gegeben hatte.
Und genau das und sein seltsames Verhalten ließ mir immer wieder einen kalten Schauer über den Rücken jagen, wann immer er sich neben mir auf seinem Stuhl zu bewegen begann. Ab und an hatte ich sogar das Gefühl, dass er mich beobachtete, was es für mich nur noch schwerer machte mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Was in dieser Doppelstunde dann auch wirklich kaum möglich war.
Ehrlich gesagt war ich dann auch ziemlich froh, als es zur Pause klingelte, weshalb ich meine Sachen zusammenpackte und gerade aufstehen und gehen wollte, als mich die Hand des Unbekannten zurückhielt. "Du heißt Lucie, richtig? Ich bin Gideon" meinte der dunkelhaarige junge Mann und zuerst konnte ich nicht anders als ihm ein wenig erschrocken in die Augen zu sehen, ehe ich langsam nickte. "Ja, so heiße ich. Freut mich" meinte ich ein wenig halbherzig und wandte mich dann zum Gehen, allerdings heftete der junge Mann sich an meine Fersen, holte auf und legte dann kaum war ich auf dem Flur angekommen seine Hand auf meine Schulter, drehte mich zu sich herum. "Du hast es ja ziemlich eilig.. hast du nicht mal Lust auf einen Kaffee oder so?"

Lucie

Dieser Kerl war mir echt nicht so ganz geheuer. Erst ignorierte er mich und schien mich mit seinen Blicken regelrecht in den Boden stampfen zu wollen, im nächsten Moment war er aber total freundlich zu mir und wollte mich auf einen Kaffee einladen. In seiner Gegenwart fühlte ich mich echt einfach wahnsinnig unwohl, irgendwas war an dem Kerl anders als an anderen Kerle, aber was genau konnte ich auch nicht genau sagen. Dass er meinen Namen wusste, wunderte mich ja auch ein wenig. Nachdem er mich nämlich so finster angesehen hatte, hatte ich mich ihm nicht vorgestellt und auch sonst konnte ich mich nicht daran erinnern, dass mich irgendjemand mit meinem Vornamen angesprochen hatte. Woher auch immer er meinen Namen wusste, es war mir ein Rätsel. Genauso wie der Typ selbst.
Dass ich regelrecht an Jax vorbeigerauscht war, hatte ich gar nicht gemerkt, ich hatte einfach nur so schnell weggehen wollen wie möglich, dabei hatte ich aber auch vergessen, dass Jax gemeint hatte, dass er mich in der Pause abholen würde. Meinem besten Freund war ich dann aber tatsächlich um seine Hilfe dankbar, mir entging allerdings auch nicht, dass die beiden jungen Männer sich ziemlich feindselig anschauten. Dennoch war ich wieder einmal erstaunt über den plötzlichen Sinneswandel von Gideon. Nur Jax behielt seine finstere Laune bei. Ich schaute zwischen den beiden jungen Männern ein wenig unbeholfen hin und her, ehe ich mich aus Jax beschützendem Arm um meine Schultern befreite und erst einmal beschloss, meine Bücher in mein Schließfach zu bringen. Vielleicht würde Jax mitkommen und wir könnten den Kerl somit abschütteln.. "Ich bringe mal kurz meine Bücher weg.." meinte ich leise und lief dann den Gang entlang.

Lucie

Hoffentlich würde Jax ruhig bleiben. Vielleicht hätte ich doch lieber bei ihm bleiben sollen, anstatt regelrecht die Flucht zu ergreifen. Aber dieser Gideon war mir ganz und gar nicht geheuer. Irgendwas war.. anders an ihm. Was konnte ich allerdings auch nicht genau sagen. Und genau das ließ mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagen, sobald ich ihm gegenüber stand. Oder er überhaupt in meiner direkten Nähe war.
Als ich bei meinem Spint angekommen war, öffnete ich ihn, genauso wie meine Tasche, ehe ich die Bücher die ich nicht brauchte reinstellte und die Bücher die ich brauchte herausholte und in meiner Tasche verstaute. War ganz praktisch, so musste ich nicht alle auf einmal herumschleppen. Gerade als ich mein Schließfach wieder schloss und meinen Blick den Gang entlang wandte, von dem ich vorhin hergekommen war, machte mein Herz einen ziemlichen Satz, als ich sah, dass Jax kam. Dicht gefolgt von dem dunkelhaarigen Unbekannten, den ich wirklich heute das allererste Mal in meinem Leben gesehen hatte. Dieser Kerl war mir ein Rätsel. Jax war mir zwar auch manchmal ein Rätsel, aber er war anders. In seiner Nähe fühlte ich mich wohl. Oft genug wurde ich wegen ihm angequatscht. Die meisten hier wussten, dass wir zusammen durch Dick und Dünn gingen und es kam nicht selten vor, dass mich ein Mädchen auf ihn anredete, ob ich ihr nicht seine Handynummer geben könnte oder sie einander vorstellen könnte. Das war zum Teil echt anstrengend. Genauso wie die vielen Gerüchte, die schon über uns im Umlauf gewesen waren. Und es bald wohl auch wieder sein würden.
Mit leicht zusammengepressten Lippen wartete ich auf die beiden jungen Männer, immerhin konnte ich nicht schon wieder davonlaufen. Und außerdem war Jax ja auch da, also hoffte ich einfach mal nicht, dass Gideon erneut auf die blendende Idee kommen würde mich anzugraben.

Lucie

Okay, eindeutig falsch gedacht. Und da sollte mal einer noch auf die Idee kommen und sagen, dass Frauen kompliziert waren. Kerle waren es doch mindestens genauso! Als Gideon meinen Blick auffing, schaute ich schnell weg und stattdessen in Richtung Jax, für den ich in meinem Blick zu verstecken versuchte, ob wir nicht einfach irgendwohin gehen könnten, wo wir diesen Kerl am besten schnell abhängen könnten. Hauptsache er ließ uns in Ruhe. Aber kaum, dass ich meinen besten Freund beinahe schon flehend angesehen hatte, war der Neue auch schon auf mich zugetreten und teilte mir doch allen ernstes mit einem fetten Grinsen im Gesicht mit, dass er Blondinen mochte! Was sollte denn dieser Mist bitte?
Ich konnte gar nicht anders, ich starrte ihn einige Sekunden lang mit großen Augen an und war erst einmal baff. Allerdings redete ich dann auf mich selbst in meinen Gedanken ein und gab mir einen Ruck. "Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment oder als Beleidigung auffassen soll.." murmelte ich leise und verzog das Gesicht, bevor ich mich einfach umdrehte und in Richtung Tür lief, um nach draußen zu kommen. Wirklich, ich brauchte jetzt erst einmal Frischluft. Wenn ich heute noch weitere Kurse mit ihm zusammen haben würde, dann.. Gott, keine Ahnung. Dann würde ich sagen, dass mir schlecht war. Oder dass ich Kopfschmerzen hatte. Oder was auch immer.

Lucie

Es dauerte gar nicht lange, da tauchte Jax neben mir auf und wollte von mir wissen, ob alles okay war. Ein Blick hinter uns verriet mir, dass Gideon tatsächlich nicht bei uns war. Ich seuzfte leise und nickte dann langsam, schaute meinen besten Freund ein wenig unschlüssig an.
"Irgendwas stimmt nicht mit diesem Kerl. Er ist.. komisch.." meinte ich leise und schaute Jax in die aufmerksamen Augen. Und dann läutete die Schulglocke auch schon. Damit war unser Gespräch über den Fremden vorerst wohl auch beendet. Ich verabschiedete mich von Jax, meinte, dass ich nach dem Unterricht auf ihn warten würde, damit wir gemeinsam nach Hause gehen können würden, war dann wohl aber auch so schnell im Gebäude verschwunden, dass ich Jax Einspruch gar nicht mehr mitbekam. Also heute war ich wohl auf gar keinen Fall ruhig, ich war eher wie ein aufgekratztes Huhn.
Die Unterrichtsstunden vergingen schleppend und ich war mehr als froh, als der zweite Schultag endlich vorüber war. Ich beeilte mich um nach draußen zu kommen, da Jax meistens schon auf mich wartete und meist schneller draußen war. Heute allerdings war er noch nicht da. Und das wunderte mich ein wenig. Ich wartete. Und wartete, und wartete. Ich wartete letztendlich garantiert zehn Minuten, aber Jax kam einfach nicht, weshalb ich beschloss ohne ihn nach Hause zu gehen. Vielleicht hatte er mich ja vergessen und war schonmal alleine vorgegangen.
Kaum, dass ich einige Schritte gelaufen war, fiel mir Gideon ins Blickfeld, der es recht eilig zu haben schien und sich umsah als würde er sicher gehen wollen, dass ihm niemand folgte. Ich folgte ihm unauffällig und mit einigem Abstand- nur was bitte wollte er im Wald? Er steuerte diesen nämlich doch recht zielstrebig an. Also ein Waldspaziergang war das auf jeden Fall nicht, was er vorhatte..