Lucie

Seine Worte entlockten mir dann ja doch ein leichtes Lächeln, das aber auch relativ schnell wieder aus meinen Gesichtszügen verschwunden war. Meine Augen huschten kurz ereut zu der Öllampe auf dem Tisch und für einen Moment bildete ich mir ein, dass ein wenig Rauch daraus aufstieg. Schnell schaute ich wieder zu Jax, zuckte dann leicht mit den schmalen Schultern. "Ich.." fing ich an, brach dann aber wieder ab. Sollte ich es ihm sagen? Ich wollte ihn nicht anlügen.. "Kann ich es dir später sagen?" fragte ich ihn dann leise und schaute ihn an. Nicht hier im Café, am besten heute Abend wenn ich bei ihm war und wir alleine waren.
Wobei Jax' hektische Bewegung mich dann ein wenig aufmerksamer werden ließ. Plötzlich schien er auch nicht mehr gerade die Ruhe in Person zu sein. Und irgendwie kam es mir so vor, als würde er sich verändern. Als würden seine Augen.. anders werden. "Jax.. du.." brachte ich gehaucht hervor und schnappte dann nach Luft, als ich sah, dass auch seine Haare sich zu verändern begannen. Hektisch stand ich auf, kramte aus meiner Tasche Geld heraus, knallte es auf den Tisch und griff dann mit einem "Komm!" nach der Hand des jungen Mannes, um ihn eilig mit mir zu ziehen. Raus aus dem Café und am besten dahin, wo Jax vor jeglichen Blicken geschützt war.

Lucie

Gerade noch rechtzeitig waren wir aus dem Café gekommen und konnten um die nächste Ecke biegen. Schon jetzt hatte Jax sich stark verändert, er sah schon gar nicht mehr wirklich menschlich aus. Ihm wuchs Fell, das sich über seinen ganzen Körper zu verbreiten schien, bevor er sich auch schon krümmte und auf die Knie fallen ließ. Es war schrecklich mitanzusehen. Vor allem, dass er offensichtlich starke Schmerzen hatte. Zu gerne würde ich ihm helfen, aber ich hatte keinen blassen Schimmer wie. "Jax?" brachte ich mit leiser, gehauchter Stimme hervor und schaute ihm hilflos dabei zu, wie er sich verwandelte. Ich trat sogar noch auf ihn zu, in der Hoffnung er würde mir sagen wie ich ihm helfen könnte.
Aber stattdessen schien er mich lieber wegschicken zu wollen. Ich konnte ihn doch auf keinen Fall alleine lassen! Ich spürte wie sich eiskalte Schauer über meinen Rücken schlichen, während ich doch zwei, drei Schritte zurückwich.

Lucie

Ich hatte Angst, so gerne ich sie auch herunterschlucken würde. Wäre Jax nicht ein bester Freund und würden wir uns nicht so nahe stehen, dann hätte ich schon längst die Beine in die Hände genommen und hätte die Flucht ergriffen. Aber so machte ich mir trotz meiner Angst Sorgen um den jungen Mann. Es sah nicht gerade angenehm aus, wie er sich verwandelte, ich wollte gar nicht wissen, welche grauenhaften Schmerzen ihn plagten.
Und dann wenige Sekunden später stand er in Wolfsgestalt vor mir, sah dem Jax den ich kannte überhaupt kein bisschen mehr ähnlich. Ich starrte ihn aus großen Augen an, fing sogar den Blick aus seinen grünen Augen auf, konnte ihm nicht einmal ausweichen. Eigentlich wollte ich etwas zu ihm sagen, aber in dem Moment traute ich mich einfach nicht. Und wer wusste schon, ob er mich überhaupt verstehen würde. Doch bevor ich irgendetwas hätte tun können, jagte er auch schon davon, in den Wald hinein und ließ mich leicht zitternd zurück. Ich brauchte einige Sekunden um das alles verarbeiten zu können, dann sammelte ich Jax zerrissene Kleidung ein, schnappte mir seinen Rucksack und rannte dann ebenfalls in Richtung Wald, in dem ich mich wenig später auch schon wiederfand. Irgendwo mitten zwischen den vielen Bäumen blieb ich stehen, drehte mich einmal um die eigene Achse. "Jax!" rief ich mit bebender Stimme in den Wald hinein, in der Hoffnung, er würde zurückkommen.

Lucie

Nachdem ich keine Antwort bekommen hatte- wie auch, ich wusste ja noch nicht einmal, ob Jax als Wolf sprechen konnte, vermutlich eher nicht- und auch keinerlei Bewegung oder sonstige Geräusche wahrgenommen hatte, war ich weiter durch den Wald gerannt, immer tiefer hinein. Ich dachte gar nicht daran, dass ich mich hier drin gut und gerne verlaufen können würde, sondern rannte einfach immer weiter, völlig verbissen in die Suche nach meinem besten Freund.
Ich lief und lief und lief, irgendwann blieb ich stehen und lehnte mich gegen einen Baum, um durchatmen zu können. Himmel, wo war denn dieser Kerl? "Jax!" schrie ich in die Tiefen des Waldes hinein und ging kurz in die Hocke, um seine zerfetzten Klamotten in seinen Rucksack zu stopfen, damit ich nicht alle Hände belegt hatte. War auch gut so, denn wenig später rutschte ich auf einer nassen Baumwurzel aus, fiel hin, kontne mich aber gerade noch mit den Händen abfangen. Meine blonden Haare fielen mir ins Gesicht und in mir kam der leise Hauch von Panik auf. Wo war er denn?

Lucie

Ich hievte mich wieder auf die Beine, rieb mir den Schmutz von den Händen an meiner Hose ab und strich mir dann meine blonden Haare aus dem Gesicht, bevor ich mich umsah. Aber weit und breit war nichts außer Bäumen zu sehen. Verzweiflung kroch in mir auf und ich spürte, dass sich ein paar Tränen den Weg in meine Augen suchten. Wie bitte sollte ich da jemals wieder herausfinden, aus diesem Wald? Ich hatte nicht einmal mehr eine grobe Ahnung, von wo ich gekommen war, geschweige denn wie lange ich schon umher geirrt war und wie viel ich schon durch den Wald gelaufen war. Mit zusammengepressten Lippen stellte ich Jax Rucksack, genauso wie meine Tasche auf dem Boden neben einem recht dicken Baum ab, bevor ich mich gegen diesen lehnte und mich dann langsam an diesem hinab auf den feuchten Waldboden sinken ließ.
Ich hörte nicht einmal, dass sich ein großgewachsener Wolf näherte. Erst, als ich eine langsame Bewegung aus den Augenwinkeln vernahm, schaute ich auf und zuckte erschrocken zusammen, als ich ein riesiges Fellknäuel nur wenige Meter von mir entfernt sitzen sah. "Jax?" hauchte ich und blinzelte kurz, drückte mich zurück auf die Beine. Was, wenn es irgendein anderer Wolf war? Nein, ganz bestimmt nicht. Das war ganz sicherlich Jax.

Lucie

Natürlich war es Jax. Welcher stinknormale Wolf würde denn sonst so nahe herkommen und das auch noch alleine? Mir fiel regelrecht ein Stein vom Herzen, dass er da war. Dass er mich gefunden hatte und dass ich nicht mehr alleine in diesem Irrgarten von Wald war. Als der großgewachsene Wolf langsam auf mich zugelaufen kam, schaute ich ihn mit großen, blauen Augen an, während mein Herz regelrecht gegen meine Brust wummerte.
Als er wieder stehenblieb, wartete ich einen Moment, dann machte ich einen Schritt nach vorne und streckte meine Hand langsam nach ihm aus, wobei ich nicht verhindern konnte, dass sie ein klein wenig zitterte. Ich spürte den warmen Atem des riesigen Wolfes, meines besten Freundes, auf meiner Haut, allerdings ließ ich mich davon nicht beirren. Meine Finger berührten das weiche, dunkle Fell am Hals des Wolfes, dennoch hielt ich kurz inne, da ich nicht wusste, ob Jax das überhaupt wollte. Ob das so eine gute Idee war. Ich wusste ja nicht, wie er so als Wolf reagierte, wie er da so drauf war. Trotzdem ließ ich meine Finger weiter in das dichte, warme Fell gleiten, bis ich seinen Körper berührte und meine Hand einige Zentimeter durch das Fell streichen ließ.

Lucie

Hatte ich was falsch gemacht? Das.. ich hatte einfach nur wissen wollen, dass er das wirklich war und mich ihm vorsichtig annähern wollen. Am liebsten wäre ich ihm ja um den befellten Hals gefallen, aber das hatte ich mich dann doch wieder nicht getraut. Was auch gut so gewesen war, im Nachhinein. Als Jax nach meiner Hand schnappte, zog ich sie hektisch zurück um seinen spitzen Reißzähnen zu entkommen, wollte sogar einen Schritt zurückstolpern, aber dazu kam ich gar nicht mehr.
Sekunden später lag ich mit einem gehörigen Schreck unter dem stark gebauten Wolfskörper auf dem Waldboden und ich spürte seinen leicht nach Hund riechenden Atem in meinem Gesicht. Und als wäre das nicht genug, hatte ich den Bruchteil einer Sekunde später auch noch den riesigen Waschlappen des Wolfes in meinem Gesicht hängen. Instinktiv drückte ich meine Hände gegen die Brust des Wolfes, um ihn davon abzuhalten und ihn ein wenig von mir wegzudrücken. Klappte auch. Wenn auch mit der Hilfe von Jax selbst. Seine gefletschten Zähne und der tiefe Laut aus seiner Kehle jagten mir dann aber doch gehörig Angst ein und ich starrte ihn mit vor Angst geweiteten Augen an, während ich rückwärts robbte und dann Schutz bei dem Baum hinter mir suchte. Schutz war aber wohl eher lächerlich ausgedrückt. Ich kauerte mich ein wenig zusammen, während ich so fest auf meine Lippe biss, dass ich schon Blut schmeckte.