Lucie

Irgendwann hatte ich mich wieder soweit beruhigt, dass ich zumindest nicht wieder Gefahr lief bei einem Gedanken an Jax sofort wieder losheulen zu müssen. Wobei ich sowieso schon beinahe tränenleer war. Dennoch fühlte ich mich total geschlaucht und einfach nur beschissen, während ich über das nachdachte, was da vorhin passiert war. Warum hatte ich mich nicht einfach in irgendeinen anderen Kerl verlieben können? Es gab so viele nette Jungs an der High School und es war ja auch nicht so, als ob ich nur Jax als Freund hätte.. Selbst Gideon hatte schon des Öfteren versucht mich irgendwohin einzuladen. Aber nein, es hatte ausgerechnet Jax sein müssen!
Irgendwann krabbelte ich dann doch wieder aus meinem Bett heraus, auch wenn es draußen mittlerweile schon längst dunkel war. Egal. Ich ging nach unten, schnappte mir den Schlüssel und steckte ihn mir in meine Jogginghose, bevor ich nach draußen an die frische Luft ging und meine Hände in die Bauchtasche meines Pullovers schob. Vielleicht würde ein kurzer Spaziergang gut tun..

Lucie

Hätte ich mein Handy nicht auch noch bei Jax liegen gelassen, wüsste ich jetzt, dass Gideon mir sogar eine Nachricht geschrieben hatte- woher auch immer er meine Nummer hatte. Aber da ich ja nichts davon wusste, lief ich einfach nur die Straße entlang und ignorierte das Bedürfnis zu Jax zu gehen, bog stattdessen am Ende der Straße auf einen Feldweg ein und lief diesen ein Stück entlang, während meine Gedanken mal hierhin, mal dahin abschweiften.
Meinen besten Freund versuchte ich mittlerweile aus meinem Gedächtnis zu verbannen, ich wollte gerade einfach nicht noch weiter über ihn nachdenken, weil es mir eh nur immer und immer wieder einen Stich ins Herz verpassen würde. Stattdessen dachte ich über solche banale Dinge nach wie, dass es gar nicht mal so still war in der Nacht. Überall zirpten die Grillen, hier und da konnte man einen Uhu hören oder einfach nur das leichte Rauschen der Blätter, die sich in dem leichten Wind bewegten.

Lucie

Es blieb natürlich nicht allzu lange nur dabei, dass ich mit meinen Gedanken und der wunderschönen Natur außenrum alleine blieb. Ich hatte keine Ahnung, wie Gideon mich wohl gefunden haben musste oder woher er wusste, dass ich ausgerechnet diesen Weg entlang lief, aber er war auf einmal direkt vor mir aufgetaucht, was mir doch einen erschrockenen Laut über die Lippen huschen lassen hatte.
Das weiße Fell des Wolfes leuchtete im Mondlicht regelrecht, als er auf mich zugelaufen kam und mich mit der Schnauze an der Hand anstupste. Wie auch immer ich diese Geste deuten sollte, es war wohl nur nett gemeint. Und ehrlich gesagt war ich auch froh, dass er erstmal noch in seiner wölfischen Gestalt blieb, während wir nebeneinander den Weg entlang liefen, der auch ein Stückchen durch den Wald führte. Ich stellte ihm nicht die Frage wie er mich gefunden hatte, er würde mir ja eh nicht antworten können und wenn dann nur auf wölfische Art und Weise und so lange war ich dann nun doch noch nicht damit vertraut, dass Jax, als auch Gideon Gestaltenwandler waren.

Lucie

Eigentlich hatte ich alleine einen Spaziergang unternehmen wollen, aber um ehrlich zu sein fand ich die Gesellschaft von Gideon noch nicht einmal so schlecht. Zwar war er mir immer ein wenig.. sonderbar und auch unheimlich vorgekommen, aber vielleicht tat ich ihm auch Unrecht an und er war gar nicht so schlimm. Gerade war es sowieso ganz schön, dass er da war- so war ich immerhin nicht allein. Dunkel war es eh schon längst, der Mond stand auch schon hoch am Himmel.
Wir liefen eine ganze Weile einfach nebeneinanderher, als Gideon- oder eher der weiße Wolf- auf einmal stehenblieb und seine dunkle Nase in die Luft streckte. Offenbar hatte er von irgendwas Witterung aufgenommen. Ich ließ meinen Blick kurz umherschweifen, drehte mich einmal um die eigene Achse, sah aber nichts- außer, dass der Wind genau in die andere Richtung ging und Gideon wohl nicht viel mit dem was er gewittert hatte anfangen konnte- trotzdem sträubte er plötzlich sein Fell, stellte den Kamm auf und bleckte die Reißzähne, gefolgt von einem leisen Knurren. Na wundervoll.. Sollte ich jetzt die Beine in die Hände nehmen und abhauen oder lieber hierbleiben?

Lucie

Zwar hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und mit dem Mondlicht war es eh auch viel einfacher was sehen zu können, aber trotzdem erkannte ich erst nach einigen Sekunden, dass es sich bei dem Wolf um niemanden sonst als Jax handelte. Was zum Teufel machte der jetzt eigentlich hier? Hatten er und Gideon sich etwa abgesprochen? Würde aber nicht erklären, warum der kleinere weiße Wolf den ein Stück größeren dunklen Wolf anknurrte. Meine blauen Augen wanderten von Gideon zu Jax, der wenige Meter von uns entfernt stehenblieb und ebenfalls seine Reißzähne zeigte. Na hoffentlich fielen die Beiden jetzt nicht übereinander her. Das konnte ich echt nicht gebrauchen, vor allem wo ich eigentlich noch nicht einmal das Bedürfnis danach hatte überhaupt in Jax' Nähe zu sein. Das tat schon wieder viel zu sehr weh und ließ all das hochkommen, was ich vorhin eigentlich verdrängt hatte.

Lucie

Keine Ahnung was ich denken oder tun sollte, als Jax dann irgendwann doch wieder abdrehte und zurück in den Wald verschwand. Wenigstens hatten er und Gideon sich nicht gegenseitig angefallen, auch wenn ich noch immer nicht so ganz wusste was ich von Gideon halten sollte. Einerseits war er schon ganz nett, andererseits war er mir fast ein wenig zu.. aufdringlich. Und Jax? Der hatte mir das Herz gebrochen. Auch nicht besser. Eher das Gegenteil, eher noch schlimmer.
Irgendwann hatte ich dann doch auch wieder den Rückweg angetreten, Gideon war allerdings nicht mit in die Siedlung gekommen, in der Jax, als auch ich wohnten.
Am nächsten Tag hatte ich mich hinter ein Buch geklemmt, hatte mich nach draußen in den Garten gesetzt, wobei ich dann am Nachmittag doch mal beschloss meine Sachen bei Jax zu holen. Ich lief also zu ihm rüber, klingelte und wartete dann darauf, dass er aufmachte.

Lucie

Es dauerte ein paar Minuten bis endlich jemand die Tür öffnete. Wobei jemand gut war- es war niemand sonst außer Jax von seiner Familie daheim, seine Eltern waren ja momentan nicht da. Auch wenn ich mir fast gewünscht hätte, dass sie doch schon wieder da waren und dass mir seine Mutter oder sein Vater geöffnet hätten und nicht er. Wobei die dann wohl gefragt hätten was los ist- also auch nicht sehr viel besser. Als Jax die Tür öffnete, schaute ich ihn im ersten Moment einfach nur mit meinen blauen Augen an, bevor ich allerdings seinem Blick auswich. Sein schiefes Grinsen konnte er sich echt sparen. "Kann ich meine Sachen holen? Ich hab sie gestern vergessen.." meinte ich dann leise und wartete aber gar nicht seine Antwort ab, sondern ging an ihm vorbei ins Haus und in den Flur, wo ich auch meine Tasche fand. Dann ging ich ins Wohnzimmer, schnappte mir mein Handy vom Couchtisch und ging wieder zurück- fehlte nur noch meine vom Wald schmutzige Wäsche. Dass die Klamotten von Jax noch bei mir droben waren, war mir in dem Moment ziemlich egal.

Lucie

Jax schien mir auf der Suche nach meinen Sachen geradezu auf Schritt und Tritt zu folgen. Half nicht gerade dazu, dass ich mich besser fühlte, aber war ja auch egal. Seine Worte ließen mich dann doch auf dem Flur zu ihm umdrehen und ihn aus meinen blauen Augen heraus ansehen. "Was erwartest du jetzt von mir? Hätte ich dir früher was von meinen.. Gefühlen gesagt, hättest du mich eh nur ausgelacht. Ich hatte die ganze Zeit über gehofft, dass du vielleicht von selbst was merkst, aber dass du mich dann gestern einfach geküsst hast.. Tut mir leid, aber ich dachte wirklich, du.. Ich komm mir einfach nur so dumm vor" erwiderte ich mit leiser, leicht zittriger Stimme und schüttelte dann leicht den Kopf.
Wieso hatte es nicht irgendein anderer Kerl sein können, in den ich mich verguckt hatte? Wieso hatte es ausgerechnet Jax sein müssen?